Im Stasi-Museum, Leipzig

Lachend stellte ich fest, dass ich vor der Runde Ecke, dem ehemaligen Stasi-Gebäude in Leipzig, mit Kameras überwacht werde. Dabei ist dies vermutlich gar nicht mal ironisch gemeint, soviel Humor traue ich nach einem Gang durch das Museum dessen Machern nicht zu. Wie schlimm die „zweite deutsche Diktatur“ doch war, schreien die Texte auf Tafeln aus Wellpappe mir zu. Garniert mit Bildern von FDJ-Kids, Uniformen, Diagrammen und einem Marx-Zitat über die Revolution, denen man zum Teil genausogut Bilder vom Kirchentag, Uniformen, Diagramme, Zitate usw. aus dem Westen entgegen stellen könnte. Was wäre zu Tage gekommen, hätte man 1989 stattdessen BND, VS und BKA gestürmt?

Wie aus schlechten Agentenfilmen wirken die Verkleidungskoffer, die im Handumdrehen aus einem Agenten einen Bauarbeiter oder einen Araber machen. Oder ein Koffer mit eingebauter Maschinenpistole. Die Kamera mit Teleobjektiv, die wie ein Gewehr auf ein Schulterstativ montiert ist, hätte ich auch gerne gehabt. Ganz schön fette Objektive stehen in den Vitrinen, solche habe ich bisher nur bei Vogel-Fotografen gesehen und bei Polizisten, die am Rand von Demonstrationen auf Balkonen, Brücken, Dächern standen. Ein altes Telefon mit runder Wählscheibe in einem Schrank war eine Abhöranlage. Sieht etwas unbeholfen aus, mit heutiger West-Technik schaffen wir es immerhin, allein in Berlin 1,1 Millionen Telefonate im Laufe eines Jahres abzuhören. Ein anderer Raum steht voll mit Vorrichtungen, die dem unbemerkten Öffnen und Wiederverschließen von Briefen dienten. In die Brieföffnertechnik wurde offensichtlich einiges an Erfindungsreichtum investiert, kalter Dampf, der durch Folien zu den Briefen durchdiffundiert usw… Die gesamte Post der Republik verbrachte einige Stunden in den Händen des Ministeriums für Staatssicherheit. Beim Lesen der Tafeln, die über das gebrochene Postgeheimnis jammern, frage ich mich, was denn die DDR-Bürgerrechtler von Vorratsdatenspeicherung halten, aber vermutlich glauben sie immer noch daran, im Paradies angekommen zu sein und merken gar nicht, wenn ihr kompletter Email-Verkehr und ihr Surf-Verhalten mitgeschnibbelt wird.

„Das schlimme war ja, dass jeder verdächtig war“, sagt ein Mann, der neben einem riesigen Karteikasten steht. So wie bei der Vorratsdatenspeicherung, denke ich (und, sarkastisch: in dieser anderen deutschen Diktatur waren es „nur“ die Juden). Er weist darauf hin, dass die Stasi noch keine Computer hatte, „die hätten die riesigen Datenmengen, die sie produziert haben, niemals auswerten können.“ Immerhin etwas, das ich dem heutigen Sicherheitswahn nicht vorwerfen kann. Schon beeindruckend, was für einen Aufwand die DDR betrieb, um diese gar nicht auswertbaren Datenmengen zu produzieren: jeder siebzigste Bürger arbeitete für das MfS. Eine Tafel erläutert, dass unter noch minderjährigen Schülern potentielle Mitarbeiter ausgewählt wurden und dann herangezogen wurden. Die Überwachung scheint eine Art Selbstzweck gewesen zu sein, durchaus gruselig. Am gruseligsten fand ich die Geruchsproben, in Gläsern aufbewahrt und von Hunden ausgewertet.

Was wäre, wenn die vielen Mitarbeiter stattdessen etwas vernünftiges gemacht hätten? Stasi in die Produktion! In den letzten Tagen haben sie es versucht, als VEB Pappmaschee wollten sie die Akten weiterverabeiten. Sie wurden von aufgebrachten DDR-Bürgerrechtlern gestoppt, die das Gebäude besetzten, die offensichtlich nicht an die Marktfähigkeit des neuen Produktes glaubten. Jetzt dienen die Akten der Vergangenheitsbewältigung.