Amazonas Cruise

Reise auf dem Amazonas: Per Schiff von Tabatinga (Brasilien, Grenze zu Kolumbien) nach Manaus

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Leticia ist ein verschlafener Ort im Dreiländereck zwischen Kolumbien, Brasilien und Peru, in dem das Leben so langsam verläuft, wie der Amazonas vorbeiströmt. Man kann gefahrlos inmitten der Straßen gehen, so wenig Verkehr gibt es. Vom übrigen Kolumbien ist der Ort nur per Flugzeug zu erreichen, die meisten Waren erreichen ihn per Schiff aus Peru oder Brasilien.

Sandbank im Amazonas bei Leticia
Sandbank im Amazonas bei Leticia
Billigladen in Tabatinga
Billigladen in Tabatinga

Etwas quirliger ist die brasilianische Schwesterstadt Tabatinga, doch auch hier hat man das Gefühl, weit vom Rest der Welt entfernt zu sein. Der Hafen von Tabatinga ist ein matschiger Hang, an dem kleine schmale Boote anlegen, die Fisch und Bananen geladen haben. Am Hang oberhalb des schwimmenden Kais für die größeren Schiffe nach Manaus wurde Sand gegen den Matsch aufgeschüttet.

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Das Schiff, das uns die 1400 km flussabwärts nach Manaus bringt, ist ein kleiner weißer Dampfer, dessen Bauch mit Fracht gefüllt ist. Auf dem Zwischendeck hängen wir unsere Hängematten zwischen hundert anderen auf. Es ist so eng, dass alle anfangen zu Schaukeln, sobald sich jemand bewegt.

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Der Fluss wirkt, wenn nicht gerade die Hälfte des Stromes hinter einer der großen Inseln versteckt ist, die in ihn eingeflochten sind, wie ein endlos langer See. Eine weite hellbraune Wasserfläche, am weit entfernten Ufer ein grüner Saum, der Wald. Bäume, Bäume, Bäume. Wald, Wald, Wald. Alle paar Stunden mal eine Siedlung, sonst nichts als Wald und Wasser, drei Tage und drei Nächte lang.

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Das Schiff gehört leider einem protestantischen Reeder, der seinen Verzichtsethos seinen Passagieren überstülpen will. Es gibt daher kein Bier, das Licht wird kurz nach Sonnenuntergang (18:30) abgeschaltet und im Refektorium wird das Essen zu aberwitzigen Zeiten ausgeteilt: Mittagessen um 10:15 zum Beispiel.

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Die letzten Stunden, bevor wir Manaus erreichen, sind immer häufiger Siedlungen am Ufer zu sehen. Dann erreichen wir Encontro das Águas, das Zusammentreffen von Rio Solimões (dem oberen Teil des Amazonas) und Rio Negro. Die beiden Flüsse, die sich hier vereinen, sind an sich schon gewaltige Ströme, die jeder für sich schon 2 bis 3 Kilometer breit sind! Das faszinierendste ist jedoch, dass sich die Eigenschaften des Wassers beider Flüsse so sehr unterscheiden, dass sie sich für mehrere Kilometer nicht vermischen, sondern durch eine scharfe Linie getrennt nebeneinander herfließen: auf der einen Seite das hellbraune und trübe Wasser des Amazonas („Weißwasser“), voller Schwebstoffe von der Erosion der Anden, auf der anderen Seite das dunkle, klare Wasser des Rio Negro, reich an Huminsäuren („Schwarzwasser“).

Encontro das Águas
Encontro das Águas

Schließlich ging es eine halbe Stunde den Rio Negro aufwärts nach Manaus. Die Stadt ist Ende des 19. Jahrhunderts durch den Kautschukboom so reich geworden, dass sie sich u.a. eine Oper bauen ließ, in der wir im Rahmen eines Filmfestivals einen französisch-marokkanischen Film sehen… Über die riesige Brücke, die erst vor 2 Wochen eingeweiht wurde, überqueren wir den Rio Negro und fahren auf der anderen Seite rund 200 km flussaufwärts nach Novo Airão. Der Rio Negro ist hier in viele, von langen Inseln getrennte Flussläufe aufgefächert, die Inseln sind wiederum voller Seen in jedweder Größe. An einem Steg werden rosa Flussdelfine als Touristenattraktion gefüttert, ein Boot bringt uns zu einer kleinen Lagune auf einer der Inseln und zum Baden an eine Sandbank. Im Sand finden wir den Abdruck eines Rochens. Es ist nicht nur erstaunlich, dass es in diesem Fluss Rochen gibt (und z. B. auch Garnelen), sondern auch, dass ihre nächsten Verwandten im Pazifik leben: vor dem Auseinanderbrechen von Gondwana floss der Uramazonas noch in die entgegengesetzte Richtung, erst nach dem Aufstieg der Anden änderte er seine Richtung.

Flussdelfin im Rio Negro
Flussdelfin im Rio Negro

Entlang der Straße sehen wir Plantagen, eingezäunte Wiesen und frisch gerodete Flächen, Ferienhäuser an kleinen Tümpeln und Fincas. Solche immer breitere Schneisen, die kreuz und quer durch den Urwald schneiden, werden mit rasendem Tempo immer zahlreicher.

Leprosorium in Paricatuba
Leprosorium in Paricatuba

Auf dem Rückweg nach Manaus machen wir einen Abstecher ins Dorf Paricatuba. Hier gibt es ein verfallenes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das zuletzt als Leprosorium diente. Die an Lepra erkrankten lebten hier bis 1962 vom Rest der Welt isoliert vor sich hin. Heute sind die Dächer eingestürzt, in den Räumen wuchert üppiges tropisches Grün und selbst auf den Mauern wachsen Bäume, deren lange Wurzeln die Wände bedecken. Der Anblick erinnert mich an die überwucherten Tempel bei Angkor Wat.


 

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