Durchquerung der Hohen Tatra

Wanderung durch ein kleines feines Hochgebirge von Polen in die Slowakei: In 3 Tagen vorbei am See Morskie Oko (Meerauge), über den Klettersteig Orla Perć und auf die Gipfel Rysy (Meeraugspitze) und Kôprovský štít.

Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami
Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami

Die Hohe Tatra ist ein regelrechtes Schatzkästchen eines Hochgebirges: Schroffe Granitwände und Pfeiler, 1000 m hohe Nordwände, Gämsen und Enzian (versteckt gibt es auch Bären) und vor allem zahllose wunderschöne Bergseen auf engstem Raum. Sie liegt überwiegend in der Slowakei, wobei Polen einen kleinen, besonders schönen Zipfel abbekommen hat.

Hohe Tatra vom Orla Perć
Hohe Tatra vom Orla Perć (u.a. mit Fünfseenhütte, Rysy, Gerlach)

Es handelt sich um den höchsten und alpinsten Teil der Karpaten, wobei die Fläche, nur mal zum Vergleich, deutlich kleiner ist als das ehemalige West-Berlin. Oft wird die Hohe Tatra als „kleinstes Hochgebirge der Welt“ bezeichnet, aber es gibt sicher weitere Kandidaten für diesen Titel (mir fällt z.B. Durmitor ein).

Orla Perć
Orla Perć (hinten Świnica)

Das gesamte Gebiet ist durch einen slowakischen und einen polnischen Nationalpark geschützt. Wanderer müssen daher auf den markierten Wegen bleiben — und da nur auf die wenigsten Berge ein markierter Weg führt, dürfen die meisten Berge nur mit Bergführer bestiegen werden. Zelten ist verboten und es darf nur bei Tageslicht gewandert werden. Es gibt jedoch genug Berghütten und lohnenswerte Aussichtspunkte.

Vysoká
Vysoká (Aufstieg zu Rysy)

Die Anreise kann auf der polnischen Seite über Zakopane erfolgen (Bahn und Bus, regelmäßige Verbindung nach Krakau, mit Flixbus täglich ohne Umsteigen von Berlin). Auf der slowakischen Seite erreicht man viele mögliche Ausgangspunkte mit der Schmalspurbahn TEŽ, die von Poprad (Bahn, Flug) am Fuß der Berge entlang nach Štrbské Pleso führt, wobei Štrbské Pleso auch direkt per Zahnradbahn vom Bahnhof Štrba (dort z.B. Schnellzüge von Prag) erreicht werden kann.

Am Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)
Am Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)

Ich beginne auf der polnischen Seite, indem ich früh morgens von Zakopane zum Parkplatz Palenica Białczańska trampe — besser bekannt als der Parkplatz für den See Morskie Oko (Meerauge) und auch regelmäßig von Minibussen angesteuert.

Der See Przedni Staw Polski bei der Fünfseenhütte (Hohe Tatra)
Der See Przedni Staw Polski bei der Fünfseenhütte (Hohe Tatra)

Nach einem kurzen Stück auf dem bequemen Spazierweg biege ich in ein Seitental ab und steige zur notorisch ausgebuchten Fünfseenhütte (Schronisko Pięciu Stawów) auf, wo ich, noch früh am Tag, mit Glück noch ein Bett bekomme. Neben der Hütte und weiter talaufwärts gibt es tatsächlich — na ja, vier Seen und einige Tümpel (welcher auch immer als Nummer 5 zählt), nämlich Przedni Staw Polski, Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski und Zadni Staw Polski (dt.: Vorderer / Großer / Schwarzer / Hinterer Polnischer See).

Die Seen Przedni Staw Polski (mit Fünfseenhütte), Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski, Blick von Kozi Wierch
Die Seen Przedni Staw Polski (mit Fünfseenhütte), Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski, Blick von Kozi Wierch

Das Ziel des Tages ist der Klettersteig Orla Perć (Adlerpfad), der von der Scharte Zawrat den Grat entlang auf den Gipfel Kozi Wierch (2291 m) und weiter zum Pass Krzyne führt, also parallel zu den „fünf“ Seen auf der nördlichen Talseite.

Blick vom Orla Perć auf Świnica (Hohe Tatra)
Blick vom Orla Perć auf Świnica, links der Hintere Polnische See

Er ist technisch einfach (wird meist ohne Ausrüstung begangen), aber teils schön ausgesetzt und wegen der vielen Scharten und Felspfeiler kommen einige Höhenmeter zusammen. Dabei beobachte ich, wie die Wolken die Berge umwabern und immer mal wieder den Blick auf einen der Seen freigeben.

Orla Perć
Orla Perć

Am nächsten Morgen stehe ich wieder früh auf und sehe so, wie voll die Hütte ist: Selbst in den Fluren und im Treppenhaus schlafen Menschen, im Essensraum ist kein Quadratmeter frei.

Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)
Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)

Diesmal steige ich auf der anderen Talseite auf zum Szpiglasowy Wierch (2172 m), von dessen Gipfel ich ganze 7 Seen sehen kann (die vielen Tümpel nicht mitgezählt). Einer davon ist das berühmte „Meerauge“, der Morskie Oko, zu dem ich nun absteige. Er liegt malerisch unter den 1000-m-Nordwänden der Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen) und des Rysy (Meeraugspitze).

Morskie Oko (Meerauge) mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

So einsam wie auf den romantischen Bildern, die ich in den Tuchhallen in Krakau gesehen habe, ist es hier aber nicht: Hunderte Tagesausflügler kommen auf dem Spazierweg zur auf der Moräne stehenden Hütte und schwärmen in alle Richtungen aus. Ich gönne mir ein frühes Mittagsessen, spaziere am Ufer entlang und steige am anderen Ende steil zum eine Stufe höher liegenden See Czarny Staw pod Rysami auf. Wiederum am anderen Ende beginnt der Aufstieg zum Rysy. Immer steiler geht es erst zwischen den Felsen und dann über leichten griffigen Granit zum Gipfel. Allerdings ziehen plötzlich Wolken auf und oben angekommen ist nicht mehr viel zu sehen.

Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami und auf Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)
Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami und auf Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

Der 2503 m hohe Rysy  (Meeraugspitze) ist der höchste Gipfel der Hohen Tatra, der ohne Bergführer bestiegen werden darf. Und er bietet eine grandiose Aussicht: Auf das Meerauge und andere Seen, auf Berge wie Gerlachovský štít (der höchste Berg der Karpaten), Vysoká oder Satan. Der Hauptgipfel des Rysy befindet sich gerade noch vollständig in der Slowakei, während der nur einen Steinwurf entfernte, wenige Meter tiefere Nordgipfel der höchste Berg in Polen ist.

Blick von Rysy
Blick von Rysy

Zum Glück gibt es auf der slowakischen Seite nur 300 Höhenmeter tiefer eine Hütte (grandios das Plumsklo mit Panoramafenster) und ich habe reserviert, kann dem Rysy also eine zweite Chance geben. Vor dem Frühstück sitze ich fast allein oben mit einem grandiosen Blick.

Vysoká vom Anstieg zum Rysy
Vysoká vom Anstieg zum Rysy

Später steige ich von der Hütte zum Talboden ab und biege rechts ab, aufwärts zum nächsten See, Velké Hincovo pleso, und dem nächsten Berg, Kôprovský štít (2367 m).

Der See Velké Hincovo pleso mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)
Der See Velké Hincovo pleso mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

Auch dieser ist ein wundervoller Aussichtspunkt, mir gefällt vor allem der Blick auf die beiden Seen auf der Westseite ins Tal Temnosmrečinská dolina.

Blick von Kôprovský štít ins Tal Temnosmrečinská dolina
Blick von Kôprovský štít ins Tal Temnosmrečinská dolina

Ich kehre um und wandere zum See Popradské pleso hinab, der ebenfalls von vielen Ausflüglern frequentiert wird. Eigentlich wollte ich von hier noch einige Tage in einem weiten Bogen zum östlichen Ende der Hohen Tatra und auf der anderen Seite zum Ausgangspunkt zurück wandern, aber wegen einer SMS, die mich nach Hause ruft, breche ich ab. Eine Stunde später erreiche ich den Ort Štrbské Pleso, der hübsch an einem weiteren See liegt, aber ansonsten recht hässlich ist. Immerhin gibt es einen Bahnhof.

Popradské pleso
Popradské pleso