HRP Teil 1: Vom Strand zu den Bergen

Zwischen Hendaye und Lescun führt der HRP über grüne Hügel und schließlich durch eine skurrile Karstlandschaft

Grüne Hügel dominieren den ersten Abschnitt des HRP

Von Hendaye (an der Atlantikküste direkt an der Grenze Frankreich/Spanien) bis Lescun führt die Haute randonnée pyrénéenne (HPR) die meiste Zeit über saftig grüne Hügel. Wasserstellen sind in diesem Abschnitt rar, außerdem kämpft man hier vermutlich wahlweise mit schweißtreibender Hitze (so wie ich) oder mit Orientierungslosigkeit im Nebel. Oft sind steile Hänge mit einem dichten Gestrüpp aus hohem Farn bewachsen. Es geht auch durch Wälder mit knorrigen Bäumen oder über grasige Hochflächen. Oft folgt der Weg der Grenze von Grenzstein zu Grenzstein. Immer wieder sehe ich kleine Bunker aus dem Krieg. Friedlicher und deutlich älter sind Steinkreise und Dolmen. Jede Menge Pferde und Schafe laufen frei herum. Erst ganz am Schluss dieses Abschnitts erreiche ich richtige Berge mit Kalkfelsen.

Ich war spät abends mit dem TGV in Hendaye angekommen. Zu Sonnenaufgang beginne ich mit einem Spaziergang zu den Klippen am Ende des Strands (am Strand am Krankenhaus vorbei, dahinter ist der Zugang zu einem Parkplatz, wo der Weg beginnt).

Klippen bei Hendaye

Dann springe ich kurz in den Atlantik, bevor ich barfuß durch den Sand zum offiziellen Startpunkt laufe. Hier steht ein großes Schild mit einer Karte des GR10, der hier ebenfalls beginnt und dem ich heute die erste Tageshälfte folge. Der HRP wird nicht erwähnt …

Strand von Hendaye

Noch ein Frühstück in einem Café, Baguette kaufen und los. Zunächst folge ich einem Ästuar (auf der anderen, spanischen Seite ist der Flughafen von San Sebastian), dann geht es aufwärts. Ich lasse den Ort hinter mir und tauche in die grüne Hügellandschaft des Baskenlands ein. Ich habe tiefblauen, wolkenfreien Himmel. Nach sanftem Auf und Ab geht es steil aufwärts auf den Choldokogagna, mit tollem Blick zurück auf die Küste. Auf der anderen Seite ist die deutlich höhere La Rhune zu sehen, mein nächstes Ziel. Allerdings ist es so heiß, dass ich mühsam meinen Rucksack von Schattenplatz zu Schattenplatz schleppe, und von einem Pass zum nächsten. Dann auf einer steilen Piste den Berg hinauf. Der Blick von oben ist so gut, dass sogar eine Zahnradbahn hinauf fährt, nur leider wurde der Gipfel mit ziemlich hässlicher Infrastruktur vollgestellt. Über steile Pfade geht es wieder hinab. Als ich endlich mit müden Beinen am Col de Lizuniaga ankomme, baue ich mein Zelt auf der Wiese neben dem geschlossenen Restaurant auf, wo bereits andere Zelte stehen.

Blick zurück vom Choldokogagna

Am nächsten Morgen regnet es. Damit hätte ich nach dem wolkenfreien Tag wirklich nicht gerechnet. Nach dem Frühstück im Zelt hört der Regen schon wieder auf, der Nebel löst sich auf und das Wetter ist wieder so strahlend wie gestern. Ich wandere von einem Pass zum nächsten, wobei ich lange Zeit dem spanischen GR11 folge. Mal geht es durch angenehm kühle Wälder, dann wieder über einen Rücken mit Ausblicken auf die Nachbarhügel. Schließlich steige ich ins Tal zum Dorf Arizkun ab. Nach einer Pause mit Eis und Limo steige ich auf der anderen Talseite auf. Ich will die Kühle des Abends nutzen, um etwa die halbe Strecke zum nächsten Ort zu laufen. Am höchsten Punkt, dem Gipfel des Burga, habe ich einen tollen Blick aus dem Zelt.

Mein Zelt auf dem Burga

Am Morgen gehe ich früh los. Während ich eine Lichtung überquere, fällt plötzlich ein Schuss. Ganz in meiner Nähe flattert ein Vogel davon, dann taucht ein Jäger aus dem Farn auf. Wahrscheinlich dachten wir beide: „Was für ein Idiot!“

Aldudes

Bald erreiche ich das sehr hübsche Dorf Aldudes. Zum Glück wusste ich bereits, dass der Dorfladen Montags geschlossen ist, sonst müsste ich jetzt einen Tag warten. Nun geht es auf einen Rücken, dem ich mehr oder weniger folge und dabei zunehmend an Höhe gewinne. Die Redoute de Lindux ist mein erster Gipfel über 1000 m, aber das wird in den nächsten Tagen ganz normal. Von der Puerta de Ibañeta (Col de Roncevaux) geht es unschön auf bzw. nahe einer kleinen Straße knapp 400 m aufwärts, immerhin mit Blick auf das Kloster Roncevaux. Oben treffe ich auf den Jakobsweg (hier ist der höchste Punkt des Jakobswegs und auch meines heutigen Tages). Tatsächlich kommen mir nun einige Pilger entgegen, bevor ich abbiege.

Eigentlich wollte ich bei den Azpegi Cromlechs biwakieren, ein paar Steinkreisen aus Stein-/Bronzezeit. Allerdings ist das absolut kein guter Platz zum Zelten, statt Aussicht gibt es Disteln. Und die Steinkreise sind enttäuschend winzig, auch wenn ich nicht so etwas wie auf den Orkneys erwartet habe. Also gehe ich noch ein Stück weiter zum Col d’Orgambidé, wo ich gerade noch die Berge in Licht der untergehenden Sonne fotografieren kann. Der dortige Steinkreis ist allerdings zeitgenössisch …

Der nächste Vormittag ist anstrengend und verlangt einige Improvisation. Zunächst steige ich teilweise weglos den Steilhang zum Bach hinab, auf der anderen Seite steil wieder hinauf. Dann geht es durch ein Trockental hinab. Weiter unten fließt hier ein Bach, den ich an jeder Talbiegung von Stein zu Stein hüpfend überquere. An der Mündung in ein Flüsschen geht es geradeaus weiter, weglos quäle ich mich einen steilen Grashang hinauf. Dann quere ich den Hang unterhalb der Gipfel, und obwohl ich ziemlich langsam vorankomme, überhole ich einen HRP-Wanderer in Trailrunner-Outfit. Laut Führer soll es im Wäldchen neben dem Pass Wasser geben, ich finde aber nur einen Schlammpfuhl, in dem ein paar Pferde stehen. Für das Mittagessen bleibt mir noch ein allerletzter Schluck, über mir kreisen die Geier (kein Scherz, die sehe ich auf dem Trek immer mal wieder).

Cromlechs von Okabe

Bald erreiche ich die Cromlechs von Okabe. Auch diese Steinkreise sind ziemlich klein, aber sehr schön auf einer grasigen Hochfläche gelegen. Nun muss ich in ein Tal absteigen, in dem ich endlich das Wasser ausfüllen kann. Ich gönne mir nur eine kurze Pause, schließlich will ich rechtzeitig mein nächstes Ziel erreichen: den Laden in der Nähe des Col Bagargui. Ich komme gerade noch rechtzeitig, bevor er schließt, und es gibt alles, was das Herz eines Wanderers begehrt. Im Restaurant esse ich noch zu Abend, bevor ich auf den nächsten Bergrücken aufsteige. Hier biwakiere ich mit tollem Blick auf meinen morgigen Gipfel, Pic d’Orhy. Weiter entfernt sind erstmals die höheren Bergzacken zu sehen.

Pic d’Orhy

Den Pic d’Orhy erreiche ich am nächsten Mittag, und damit den ersten Gipfel über 2000 m. Die Aussicht in die unterschiedlichen Richtungen ist ein merkwürdiger Kontrast: nach Westen bis zum Horizont die grünen Hügel, über die ich gekommen bin, im Osten, hinter den letzten paar Hügeln, die felsigen Kalksteinberge, hinter denen Lescun liegt.

Ein Stück muss ich bis dort aber noch laufen. Ich wandere weiter über den Grenzkamm, muss aber kurz in die Nähe der Cabane d’Ardané absteigen, um Wasser zu tanken. Ich steige dann gleich wieder auf und biwakiere auf einem Pass unterhalb der Porte de Belhay. Hier ist die Landschaft vergleichbar mit den Voralpen, mit Kühen auf steilen Grashängen und kleinen Felsen an spitzen Bergen.

Am nächsten Tag wird die Landschaft nochmals deutlich interessanter. Vom höchsten Punkt aus, noch früh am Morgen, öffnet sich ein tolles Panorama mit den zackigen Bergen, während das Tal im Mittelgrund im Dunst liegt. In dieses Bild wandere ich nun hinein, zum tiefer gelegenen Refugio de Belagua. Als zweites Frühstück bestelle ich Torttilla und einen Café Cortado. Dann fülle ich die Wasserflaschen, da ein langes Stück ohne Wasserstellen kommt.

Wenig später wandere ich durch eine interessante Karstlandschaft, die mich sehr an den Velebit erinnert. Die Kalksteine sind heftig von Karren durchfurcht. Es geht durch ein Trockental, dessen untersten Ende eine rundum von höherem Terrain umgebende Senke ist. Weiter oben wachsen immer weniger Kiefern und es sieht zunehmend alpiner aus. Die Hänge bestehen aus nacktem Gestein, obwohl sie nicht allzu steil sind.

Ich komme auf eine Art Plateau, das nur noch aus Kalksteinhöckern und Dolinen besteht. Auf der anderen Seite des Passes steige ich zur Source de Marmitou ab, ein wirklich schöner Biwakplatz. Umgeben von hohen Felswänden murmelt das Wasser aus einer Wiese, direkt neben einem Labyrinth aus Bouldern.

Nahe Source de Marmitou

Früh morgens wandere ich durch dieses Hochtal abwärts. Nach einer Steilstufe habe ich einen besonders malerischen Blick zurück auf einen Wasserfall und den zwar kleinen, aber besonders spitzen Pic de la Breque.

Pic de la Breque

Schließlich erreiche ich das Dorf Lescun, sehr schön gelegen mit den Bergen im Hintergrund. Doch ich mache mich gleich wieder auf die Socken, nachdem ich meinen Rucksack mit Lebensmitteln befüllt habe. (Weiter mit HRP Teil 2.)


Pyrenäen-Traverse auf dem HRP