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Herbst in der Sächsischen Schweiz

Ein kurzer Fototrip zu Bastei, Königsstein und Schrammsteinen.

Blick von der Bastei

Morgendämmerung an der Bastei, ein Samstag im Herbst bei gutem Wetter. Nach einem eiligen Aufstieg mit Stirnlampe stelle ich fest, dass die Aussichtspunkte bereits von Fotografen bevölkert sind. Und es wird immer voller, dicht gedrängt werden die Stative aufgebaut, einige warten geduldig in der zweiten Reihe, bis jemand weiter zieht.

Blick von der Bastei auf die Elbe
Blick von der Bastei auf die Elbe

Am bekanntesten Aussichtspunkt, der Ferdinandaussicht, gibt es eine lange Schlange mit langen Wartezeiten. Und gerade als das Licht weniger golden wird und ich die Bastei wieder verlasse, fährt der erste Tourbus vor…

Bastei
Bastei

Trotzdem hat es sich gelohnt, mal wieder hier zu sein. Zum ersten Mal zum Sonnenaufgang, zum ersten Mal im Herbst.

Bastei

Ich steige durch die Schwedenlöcher ab und frühstücke in Rathen. Dann überquere ich die Elbe und steige zum Rauenstein auf, an dessen Gradweg es auch einige hübsche Aussichten gibt (leider nicht auf die Elbe).

Bastei, Pavillionaussicht
Bastei, Pavillionaussicht

Weiter wandere ich auf dem Malerweg nach Königsstein (eine Etappe, die mir noch fehlte, vor 10 Jahren habe ich den Malerweg in Königsstein wegen Regenwetter abgebrochen). Auch die Festung Königsstein besuche ich, hier sind nicht nur die Festungsanlagen interessant, es gibt auch noch einen grandiosen Blick auf die Schleife der Elbe um den Lilienstein. Auf diesem war ich bereits am Vortag, auch hier ein schöner Blick, ich habe aber irgendwie mehr erwartet.

Panorama von der Festung Königsstein: Elbe und Lilienstein
Panorama von der Festung Königsstein: Elbe und Lilienstein

Am Sonntag morgen wollte ich eigentlich zum Sonnenaufgang beim Carolafelsen sein, aber leider fährt die erste S-Bahn nach Schmilka sonntags erst sehr spät (und durch die Zeitumstellung war ich dann noch später). Ich gehe über den wunderschönen Gratweg via Breite Kluft zur Schrammsteinaussicht, steige ab, durch die Wilde Hölle wieder zum Carolafelsen und die Heilige Stiege wieder hinab. Unten angekommen legt der Regen los.

Schrammsteine
Schrammsteine

Schluchtensteig im Südschwarzwald

Der Fernwanderweg führt in 6 Etappen durch die Wutachschlucht und durch kleinere Schluchten im Südschwarzwald

Rechenfelsen in der Haslachschlucht, Schwarzwald
Rechenfelsen in der Haslachschlucht

Der Schluchtensteig führt durch die wilde Wutachschlucht und weiter über Berg und Tal durch typische Schwarzwaldlandschaft – Wald, Wiesen, einsame Bauernhöfe – über St. Blasien und Todtmoos bis zur weniger bekannten Wehraschlucht bei Wehr. Die Wutachschlucht ist schon lange bei Wanderern beliebt. Eigentlich liegt es nahe, die Wanderung um ein paar Etappen zu verlängern, trotzdem ist der Schluchtensteig ein Neuzugang unter den Schwarzwälder Fernwanderwegen: Es gibt ihn erst seit 11 Jahren. Er wurde seither als Premiumweg und Top Trail ausgezeichnet und gilt damit als einer der schönsten Treks Deutschlands. Zu Recht, wie ich finde.

Wutachschlucht, Schluchtensteig
Magisches Licht in der Wutachschlucht

Allerdings muss ich einschränken, dass die Treks dieses Landes in einer anderen Liga spielen als die schönsten Europas (mit GR20, diversen Treks in den Alpen oder Skandinavien etc. nicht zu vergleichen). Für Schwarzwälder Verhältnisse machen schmale Pfade einen recht großen Teil aus, trotzdem geht es oft über geschotterte Forststrassen. Auch bei den Schluchten darf man nichts allzu spektakuläres erwarten, diese sind nicht die Verdonschlucht oder Cañón del Sumidero. In meinen Kindheitserinnerungen hatte ich die Wutachschlucht irgendwie viel tiefer und felsiger abgespeichert, jetzt denke ich, dass man andernorts einfach Tal dazu gesagt hätte.

Tiefblick in die Wutachschlucht

Dennoch sind die Schluchten und Schlüchtchen schön wild, mit verwunschenem Wald, gluckernden Bächen und vielen kleinen Wasserfällen. Und die Herbstfarben machen ganz schön was her. Auch geologisch ist die Wanderung interessant, in der Wutachschlucht erwandert man auf kurzer Strecke die gesamte Stratigrafie der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft, vom Grundgebirge durch die Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper) bis ins Jura (Lias, Dogger, Malm).

Bannwald in der Wehraschlucht
Bannwald in der Wehraschlucht

(Dass auch der Querweg Freiburg – Bodensee durch die Wutachschlucht führt, einer der alten Fernwanderwege, merke ich erst unterwegs. Ich glaube nicht, dass er in seiner ganzen Länge häufig begangen wird. Obwohl ich lange in Freiburg gelebt habe hat mir nie jemand davon erzählt.)

Herbst in der Windbergschlucht bei St. Blasien
Herbst in der Windbergschlucht bei St. Blasien

Der Weg ist gut markiert, es gab aber auch eine Hand voll Abzweige, wo es kein Schild gab oder nur eines in Ost-West-Richtung.

In der Wutachschlucht

Eigentlich wollte ich im Anschluss an ein Familienfest den Westweg laufen, aber der Wetterbericht sagt 10 Tage Dauerregen voraus. Den verbringe ich lieber in Schluchten als ohne Sicht von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt zu wandern.

Wehraschlucht, Schwarzwald
Schluchtensteig im Wehratal

Da ich sowieso eine Nacht in Gersbach verbracht hatte, wenige Kilometer vom offiziellen Ende in Wehr entfernt, laufe ich zunächst von dort abwärts und biege nahe des Stausees auf den Schluchtensteig ein. Dieser führt auf halber Höhe durch die Wehraschlucht (sodass die Strasse unten im Tal nicht sehr stört). Sehr schöner Bannwald, kaum Felsen oder Ausblicke.

Bannwald in der Wehraschlucht
Bannwald in der Wehraschlucht

Pilze

Die nächste Etappe ab Todtmoos beginnt mit einer Minischlucht und führt dann über dem hübschen Dorf Ibach entlang. Dabei habe ich merkwürdiges Wetter, im Minutentakt wechseln Sonne und Regen. Ein Regenbogen spannt sich vor den Wolken, wo eigentlich der Feldberg zu sehen sein sollte. Und auf der anderen Seite öffnet sich kurz eine Lücke zwischen den Wolken und die Alpen kommen zu Vorschein. Dann gewinnen Regen und Nebel die Überhand und bis Sankt Blasien sehe ich nicht mehr viel. Kurz vor dem Ziel reißt es plötzlich auf, regnet am Abend aber wieder.

Fliegenpilze

Bei Ibach passiere ich auch die Friedrich-August-Grube, die geologisch interessant ist: Ganz anders als die anderen Erzvorkommen im Schwarzwald (überwiegend hydrothermale Blei-Silber-Zink-Gänge) handelt es sich um eine metamorph überprägte Nickellagerstätte, die magmatisch in einem Gabbro entstanden ist, und zwar lange vor der variszischen Gebirgsbildung (siehe auch mein Buch Die Welt der Rohstoffe).

Stimmung bei Ibach
Stimmung bei Ibach

Wieder geht es durch eine sehr hübsche Minischlucht, die Windbergschlucht. Die winzigen Dörfer oberhalb, Althütte und Muchenland, gefallen mir auch (wohnen will ich dort jedoch nicht), ansonsten werde ich mit dieser Etappe nicht so recht warm. Das liegt auch am Wetter, es schüttet ohne Unterbrechung und bleibt so finster, dass ich mich Mittags frage, wann die Morgendämmerung endlich aufhört. Und der Schluchsee ist halt auch nur ein Stausee.

St. Blasien
St. Blasien

Auch am Bildstein, einem Aussichtspunkt oberhalb des Schluchtsees, sehe ich vor allem dunkle Wolken. Der Felsen besteht übrigens (untypisch für den Schwarzwald) aus Tonschiefer aus dem Devon. Er gehört zur Badenweiler-Lenzkirch-Zone, einem schmalen Streifen Sedimente, der sich quer durch die Gneise und Granite zieht und der als variszische Sutur interpretiert wird, d.h. hier kollidierten zwei Kontinente miteinander (siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt).

Windbergschlucht
Windbergschlucht
Muchenland, Schwarzwald
Schwarzwaldhöfe in Muchenland

Am nächsten Morgen, bei Regen, biegt am Ortsausgang von Lenzkirch eine Kuhherde vor mir ein und die Bäuerin besteht darauf, dass ich nicht überhole, weil der Bulle dabei ist. Also erstmal Schneckentempo… Endlich beginnt die Haslachschlucht und es wird wieder interessant. Sehr hübsch ist die Engstelle am Rechenfelsen. Wenig später fließt die Haslach mit der ähnlich großen Gutach zusammen, hier wird die Gutach zur Wutach. Noch etwas weiter zweigt die Rötenbach-Schlucht ab, in die ich einen Abstecher mache. Insbesondere der mittlere Teil mit Miniwasserfällen ist hübsch. Die Wutachschlucht wirkt am Räuberschlösschen erstmals schluchtig (hier steckt ein Porphyrstock im Granit). Es lohnt sich auch, auf dem Weg (Richtung Gündelwangen) zur Wutach abzusteigen und den Felsen von unten anzusehen.

Rechenfelsen in der Haslachschlucht
Rechenfelsen in der Haslachschlucht
Lotenbachklamm
Lotenbachklamm

Im Bereich Schattenmühle und Boll handelt es sich wieder eher um ein Tal. Sehr schön ist aber der kurze Abstecher in die enge Lotenbachklamm. Nach Boll beginnt der bekannteste und felsigste Teil der Wutachschlucht, die hier in den Muschelkalk eingeschnitten ist. Hier gibt es den einzigen richtigen Tiefblick und kleine interessante Wasserfälle mit Sinterbildung, die entfernt an Plitvice erinnern.

Wasserfall mit Sinterbildung
Wasserfall mit Sinterbildung
Sinterbildung mit Wasservorhang
Sinterbildung mit Wasservorhang

Dass an einer Stelle ein Teil der Wutach im Untergrund versickert, ist bei Hochwasser nicht zu erkennen, aber der Wiederaustritt etwas weiter ist ein Highlight: der Weg führt hier direkt unter dem Felsen am Fluss entlang und das Wasser strömt an mehreren Stellen knapp oberhalb des Flusses aus den Klüften.

Wiederaustritt nach der Wutachversickerung
Wiederaustritt nach der Wutachversickerung

Mit dem Abzweig der Gauchach-Schlucht ist das Ende der Wutachschlucht erreicht. Ich mache wieder einen Abstecher, auch die Gauchach-Schlucht hat ein paar hübsche Stellen. Dann gehe ich durch das weite Tal nach Achdorf. Hier biegt die Wutach fast im rechten Winkel nach Süden ab, während geradeaus in einem passähnlichen Einschnitt zwischen Eichberg und Buchberg das Städtchen Blumberg liegt. Dies ist ein Klassiker der Geomorphologie: Bis vor etwa 20.000 Jahren, als die Wutachschlucht noch nicht existierte, gab es stattdessen ein wenig eingeschnittenes Tal mit der sogenannten Feldberg-Donau, die hier geradeaus weiter floss und damals der Hauptquellfluss der Donau war.

Wutachflühen vom Buchberg
Wutachflühen vom Buchberg

Die Quellen der Wutach befanden sich südlich von Achdorf jenseits einer schmalen Wasserscheide und da der Rhein deutlich tiefer lag, schnitt die Wutach schnell ein tiefes Tal ein (Wutachflühen). Irgendwann durchbrach die Feldberg-Donau die Wasserscheide und so wurde aus dem Hauptzufluss der Donau ein Nebenfluss des Rheins. Wie das genau passierte ist nicht ganz klar. „Rückschreitende Erosion“ war früher ein Zauberwort der Geomorphologen, aber die Erosion oberhalb der Quelle dürfte gering gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, dass die Feldberg-Donau ihr Tal derart aufgeschottert hat, dass sie überlief und damit starke Erosion einsetzte.

Blick vom Buchberg auf die Wutachflühen
Blick vom Buchberg auf die Wutachflühen
Alpensicht am Buchberg
Alpensicht am Buchberg

Früh morgens sitze ich mit grandioser Aussicht an der Buchberghütte, mit tollem Blick auf das Wutachtal (talabwärts sind schön die Felsen der Wutachflühen zu sehen), auf die Alpen und den Schwarzwald. Bei den Wutachflühen ist das Tal nochmals steil und tief, allerdings sind die Felsen mit Malmkalk kaum vom Weg zu sehen, der etwas unterhalb durch den Wald führt. Die Sauschwänzlebahn mit ihren vielen Kehrkurven wird mehrfach gekreuzt und zweimal dampft die Museumsbahn tatsächlich an mir vorbei.

Sauschwänzlebahn
Sauschwänzlebahn

Ab Bahnhof Weizen bis Stühlingen ist der Weg wegen Straßenlärm nicht mehr so schön. Am Ortseingang von Stühlingen überquere ich die Schweizer Grenze und wandere noch 3 km nach Schleitheim. Von hier fährt stündlich ein Bus nach Schaffhausen (für den Rheinfall in Neuhausen Rheinhof aussteigen, in der Burg neben dem Rheinfall ist eine Jugendherberge).

Rheinfall bei Schaffhausen (Schweiz)
Rheinfall bei Schaffhausen als Bonus

Auf dem GR20 durch Korsika

Quer über die Insel auf einem der schönsten Treks Europas durch die wilde Bergwelt Korsikas.

Lac de Capitello vom GR20
Lac de Capitello vom GR20

Er gilt als einer der schönsten, wildesten und härtesten Treks Europas, wenn nicht gar als der Traumtrek. Der Fernwanderweg (Sentier de Grande Randonnée) GR20 führt von Calenzana nach Conca quer über die Insel, ständig auf und ab, insgesamt ca. 170 km und 12000 Höhenmeter (entsprechend mehr mit Abstechern auf die Gipfel): 15 oder 16 Tage lang immer der rot-weißen Markierung nach.

Karte des GR20 auf Korsika
Karte des GR20 (Florian Neukirchen, www.riannek.de, CC-BY-SA)

Dass er der härteste Trek Europas sei, ist aber eher ein Mythos (vielleicht stimmte das, als die Hütten noch nicht bewirtschaftet waren, mein härtester Trek bleibt jedenfalls eine Wanderung durch Lappland). Er ist wirklich wunderschön von der ersten bis zur letzten Etappe und dabei ungewöhnlich abwechslungsreich. Und anders als in den Alpen gibt es in den Bergen von Korsika kaum Straßen, Hotelkomplexe, Seilbahnen und Skipisten.

GR20 am Denkmalsgrat
GR20 am Denkmalsgrat

GR20, das ist … Früh aufstehen, mit Stirnlampe frühstücken und in der Dämmerung loslaufen, damit man möglichst den ersten Aufstieg hinter sich gebracht hat, bevor es unerträglich heiß wird. Über alpine Wege oder Felsplatten wandern, grandiose Ausblicke auf Felstürme und -bastionen aus Granit und auf blaue Bergseen. Immer mal wieder ist im Hintergrund das Meer zu sehen (oder zu ahnen, oft sehe ich keine Horizontlinie und der Himmel reicht etwas zu tief bis an die geschwungene Küstenlinie), manchmal auch auf beiden Seiten.

Pointe Eboulis, Blick auf Paglia Orba
Pointe Eboulis, Blick auf Paglia Orba

Kurze Abstecher auf die höchsten Gipfel, zum Abkühlen in eine Gumpe unter einem kleinen Wasserfall springen. Den Schmerz in Schultern und Waden kaum noch spüren. Der Duft nach Kiefern und Macchia. Käse an einer Bergerie kaufen und mit der Zeit die Vielfalt der Geschmacksrichtungen kennenlernen – willkommene Abwechslung zur Pasta aus dem Rucksack. Lebensmittel können alle paar Tage bei bestimmten Hütten gekauft werden.

Zwischen Refuge de Prati und Refuge d’Usciolu

Das Dorf Vizzavona am Pass der Route Bastia – Ajaccio teilt den GR20 in eine etwas längere Nord- und eine kürzere Südhälfte. Hier gibt es sogar einen Bahnhof, praktisch für alle, die den GR20 nicht in einem Stück gehen wollen. Campen/Biwakieren ist nur neben den Hütten und an manchen Bergeries erlaubt, zum einen wegen der Waldbrandgefahr, zum anderen, weil es durchgehend durch den Parc Naturel Régional de la Corse geht (sozusagen der „regionale Nationalpark“). Die Hütten sind klein und haben ein Problem mit Wanzen. Sie waren oft ausgebucht, aber jetzt bauen die Hüttenwirte als Erweiterung eine kleine Zeltstadt aus identischen Zelten auf, die die ganze Saison stehen bleibt. Die Saison ist Mitte Juni bis Mitte September, außerhalb sind die Hütten nicht bewirtschaftet und man muss mit Schnee rechnen.

GR20 Zelt
Guten Morgen! Mein Zelt am Refuge de Prati

GR20 Nordteil (Calenzana – Vizzavona)

Calenzana erreiche ich vom Flughafen Calvi in einer kurzen Fahrt in einem Taxi. Die Berge über dem hübschen Dorf sehen schon vielversprechend aus. Noch essen gehen, einkaufen – und am nächsten Morgen so früh wie möglich aufstehen. Es steht ein sehr langer Aufstieg an und schon bei Sonnenaufgang ist es heiß. Der Rucksack ist schwer und noch ungewohnt, aber die schönen Blicke zurück zum Meer und auf Calvi motivieren.

GR20 Blick auf Calvi
Blick zurück auf Calvi und das Meer

Der erste Felsrücken oberhalb Calenzana zeigt bereits, dass ich doch nicht nur über Granit laufen werde: Es handelt sich um einen Gang aus Porphyr, also ein Vulkangestein (siehe auch Geologie von Korsika und mein Buch Bewegte Bergwelt). Er ist verwitterungsbeständiger als der ihn umgebende Granit. Ich nähere mich hier einem Calderavulkan, die Monte-Cinto-Caldera. Die Felsberge etwas oberhalb, die ich am Vormittag erreiche, gehören bereits dazu, am anderen Rand stehen die Berge Monte Cinto und Paglia Orba. Natürlich ist nichts von einem kraterförmigen Kessel zu sehen, vielmehr bestehen die hohen Berge aus der einstigen Calderafüllung (Ignimbrite, Surges, Brekzien), während der Rand wegerodiert worden ist. Die Vulkanite sind oft grün oder rot alteriert (manchmal auch grün-rot gemustert), in den Ignimbriten sind oft schöne Fiamme zu sehen (plattgedrückter Bims). Besagter Gang ist ein Ringgang etwas außerhalb der Caldera.

Später wird die Querung eines steilen Hanges ziemlich anstrengend, müde erreiche ich die Ruine des im Frühjahr abgebrannten Refuge d’Ortu di u Piobbu.

GR20 Punta Pisciaghia
Blick in den Felskessel von Bonifatu von der Punta Pisciaghia

Am nächsten Morgen steige ich zur Punta Pisciaghia auf, ein beeindruckender Aussichtspunkt. Ich blicke in den Felskessel von Bonifatu hinunter, im Hintergrund ragen Monte Cinto und Paglia Orba auf. Hier ist sozusagen die ganze Caldera zu überblicken. Allerdings besteht der nordwestliche Teil des Felskessels aus Granit, ein kleiner Pluton, der nachträglich in die Vulkanite der Calderafüllung eingedrungen ist (Bonifatu-Granit).

GR20 Hängebrücke
Hängebrücke am GR20 beim Refuge de Carrozzu

Der Weg führt ein Stück am Rand des Felskessels entlang, dann steige ich steil in ihn hinab zum Refuge de Carrozzu. In der Nähe schwingt sich eine stark schwankende Hängebrücke über den Bach (diese erinnert nicht ganz zufällig an ähnliche Brücken in Nepal und ist ein beliebtes Ziel für Tagesausflügler), an der ich zum ersten Mal ins kalte Wasser springe.

GR20 Aufstieg
Aufstieg über Felsplatten Richtung Lac de la Muvrella

Die nächste Etappe führt über diese Brücke und dann über Felsplatten die Schlucht aufwärts zum kleinen Lac de la Muvrella. Nach einer Pause auf einem Aussichtspunkt oberhalb des Sees geht es weiter zur Bocca di Stagnu. Im Tal unter mir liegt das kleine Skiresort Haut-Asco, dahinter ragt der massive Klotz des Monte Cinto auf. Noch vor wenigen Jahren führte der GR20 von Haut-Asco das Tal nach rechts hinauf und dann durch den berüchtigten Cirque de la Solitude. Heute führt er stattdessen auf einen Vorgipfel des Monte Cinto, die Pointe des Eboulis, und von dort ins nächste Hochtal.

Unterhalb Bocca Tumasginesca
Unterhalb Bocca Tumasginesca

Ich möchte hier die alte Route gehen und das Skiresort links liegen lassen: es ist noch nicht spät, ich bin besser in Form als an den Tagen zuvor, der Himmel ist wolkenlos blau – also nehme ich spontan eine Variante, die schlecht markiert über den Rücken und an einer Felsburg vorbei in Richtung Cirque de la Solitude führt. Nach einer langen Siesta in einer schattigen Ecke erreiche ich den alten GR20 und steige immer steiler (hier stand einmal eine vor langer Zeit abgebrannte Hütte) auf bis zur Bocca Tumasginesca (auch Col Perdu genannt). Durch die enge Scharte schaue ich in den steilen Felskessel hinab. Nun muss ich in einer Linie 250 m hinabklettern, nur um anschließend auf der anderen Seite 300 m hinaufzuklettern.

Blick von der Bocca Tumasginesca in den Cirque de la Solitude

Hier kamen 2015 bei einem Felssturz 7 Wanderer ums Leben. Die Route wurde daraufhin gesperrt, alle Ketten und Leitern entfernt und die Markierungen übermalt. Ich hatte aber im Internet gelesen, dass sie für erfahrene Alpinisten wieder offen ist. Jetzt macht der Kessel seinem Namen alle Ehre (übersetzt „Kar der Einsamkeit“ und nicht, wie ich einmal höre, „Sonnenkreis“). Da auf dem Felsen viele kleine Steine liegen und es in einer Linie hinabgeht, bin ich froh darüber, dass niemand über mir klettert und ich nicht regelmäßig in Deckung gehen muss.

Cirque de la Solitude
Im Cirque de la Solitude

Es geht immer auf einen markanten Felsturm zu (solange wie möglich auf dem Fels bleibend, nicht in die Rinne rechts absteigen), auf der anderen Seite in gleiche Richtung ein Stück wieder hinauf. Sobald ich quasi neben dem Felsturm angekommen bin, geht es links hinauf zur Bocca Minuta. Immer wieder bin ich froh, auf übermalte Markierungen und die abgesägten Haken der Sicherungen zu treffen, ich kann also nicht falsch sein. Von der Bocca Minuta folgt noch ein langer Abstieg zum Refuge Tighiettu, wo ich verdutzt auf ein Schild treffe, dass die Route durch den Cirque de la Solitude gesperrt ist. Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit baue ich mein Zelt auf. Die ziemlich unbequemen Biwakplätze sind hier an den Hang gezimmerte Europaletten.

An der Bocca Minuta, Cirque de la Solitude
An der Bocca Minuta, Cirque de la Solitude

Da ich einen Tag gewonnen habe, kann ich ihn auch gleich wieder ausgeben und natürlich will ich den höchsten Gipfel Korsikas besteigen, den Monte Cinto. Ich folge also mit leichtem Gepäck dem neuen GR20 aufwärts (wenigstens für die Schultern ein Ruhetag). Hinter mir färbt das Morgenlicht die Nordwand der Paglia Orba orange. Ich erreiche die erste Bocca (Joch, Pass), unter mir der Lac du Cinto, etwas später stehe ich auf der Pointe des Eboulis mit einer grandiosen Aussicht.

Panorama an der Pointe Eboulis
Panorama an der Pointe Eboulis

Während der GR20 von hier ins Tal nach Haut-Asco führt, folge ich dem Grat eine Stunde lang von Vorgipfel zu Vorgipfel zum Monte Cinto. Diesen besteigt vermutlich niemand wegen des Blicks (der zwar toll ist, aber nicht unbedingt besser als von der Pointe des Eboulis) oder weil der Berg eine besonders schöne Form hätte (eher ein wuchtiger Klotz) oder weil der Weg so schön ist (manche nennen es eine Schinderei), aber er ist nunmal der höchste Berg von Korsika und man sieht weit, ein guter Teil des GR20 ist zu überblicken.

GR20 Lac de Cinto
Lac de Cinto

Mittags baue ich am Refuge mein Zelt ab und etwas tiefer an der Bergerie de Ballone wieder auf, an einem besonders schönen Biwakplatz mit Aussicht und mit ein paar schönen Gumpen zum Baden. Oben regnet es derweil, der Cirque de la Solitude wäre heute nicht möglich gewesen …

Biwakplatz an der Bergerie de Ballone

Nun geht es in einem weiten Bogen um die Paglia Orba – der wohl markanteste Berg von Korsika – herum zum Refuge Ciuttulu di i Mori. Im kleinen Nachbarberg Capu Tafunatu ist ein Loch zu sehen und dieses ist mein Ziel für den Nachmittag. Vom Col des Maures folgt man den Steinmännchen zu einem Felsband. An dessen höchsten Punkt (mit grünem Gestein) nicht den Steinmännern geradeaus abwärts folgen, sondern anderen Steinmännchen nach rechts ein Stück hinauf, wieder rechts, 2 m hinab zu einem weiteren Felsband.

Felstor Capu Tafunatu
Am Loch im Capu Tafunatu

Das Felstor ist beeindruckend groß, wenn man darin steht, wirkt es eher wie eine schmale Brücke, es ist kaum zu glauben, wie viel Fels noch darüber steht. Durch das Tor hindurch ist die Küste mit dem Golf von Porto zu sehen.

Capu Tafunatu vom Aufstieg zur Paglia Orba
Capu Tafunatu vom Aufstieg zur Paglia Orba

Im Schein der Stirnlampe steige ich früh morgens Richtung Paglia Orba auf, ich will bei Sonnenaufgang möglichst weit oben sein. Gar nicht leicht, im Dunkeln die Steinmännchen und damit die richtigen Rinnen zu finden. Die schöne rote vulkanische Brekzie ist griffig und die Kletterei leicht. Mit vielen Fotostopps steige ich bis zum Gipfel auf, mit einem Blick auf halb Korsika. Besonders schön zu sehen sind der finstere Cirque de la Solitude, Monte Cinto und in die andere Richtung die Küste mit dem Golf von Porto. Wer vom GR20 aus nur einen Berg besteigen will, sollte diesen wählen. Und weil es so schön war, steige ich ein zweites Mal zum Felstor auf.

Blick von Paglia Orba auf Cirque de la Solitude und Monte Cinto
Blick von Paglia Orba auf Cirque de la Solitude und Monte Cinto

Am späten Vormittag baue ich mein Zelt ab, ziemlich spät dafür, dass eine Etappe von 8 Stunden vor mir liegt. Nach all den Highlights der letzten Tage frage ich mich, was denn jetzt noch kommen soll und diese Etappe gibt die Antwort: etwas Abwechslung nach all den schroffen Felsen. Es geht ein Hochtal hinab mit schönen Gumpen (ich gönne mir nur ein kurzes Bad), dann durch Wald, wo ich etwas unterhalb des Passes Col de Vergio erstmals eine Straße kreuze (und im Campingplatz frisches Brot und andere Lebensmittel kaufe).

GR20 Baum
Baum oberhalb Col de Vergio
GR20 Lac de Nino
Lac de Nino
Lac de Nino GR20
Am Lac de Nino
GR20 Monte Rotondo
Monte Rotondo

Über einen Bergrücken mit windzerzausten Bäumen geht es wieder aufwärts zu einem grünen Hochplateau, auf dem der von sumpfigen Wiesen umgebene Lac de Nino liegt. Kühe und Pferde weiden hier, im Hintergrund das Monte-Rotondo-Massiv, über das die folgende Etappe führt. Mit schweren Beinen schleppe ich den Rucksack weiter und erreiche bei Sonnenuntergang die Bergerie de Vaccaghia. Hier ist der Käse besonders lecker und spät abends singt der Hüttenwirt mit ein paar Freunden korsische Lieder.

GR20 Lac de Capitello und Lac de Melo
Lac de Capitello und Lac de Melo vom GR20

Und wieder geht es hinauf in die Felsenwelt, zur Bocca alle Porta, die fast so hoch liegt wie die benachbarten Gipfel. Tief unter mir zwei besonders schöne Karseen, Lac de Capitello und eine Stufe tiefer Lac de Melo. Zum oberen See steige ich ab, um ein paar Züge zu schwimmen. Von hier ist kaum zu glauben, dass der GR20 dort oben über die Felsen führt.

Korsika Lac de Capitello
Lac de Capitello

Die vielen Tagesausflügler vertreiben mich wieder in die Höhe. Ich folge dem Grat, der in einem Bogen um das Talende führt. Kurz nach der nächsten Bocca liegt der nächste schöne Bergsee unter mir, Lac de Rinoso. Auf dem Weg hinab zum Refuge de Petra Piana rückt der nächste Berg in den Fokus, die Felspyramide Monte d’Oro.

Lac de Rinoso GR20
Lac de Rinoso

Aber zuerst will ich auf den Monte Rotondo, den zweithöchsten Gipfel von Korsika. Wieder früh morgens steige ich auf, vorbei am Karsee Lavu Bellebone (der mich sehr an den Trek am Kaçkar Dagi erinnert), weiter zum Grat und mit leichter Kraxelei zum Gipfel. Wieder ein toller Blick in alle Richtungen, gut ist zu sehen, wo ich herkomme und wo ich hinwill. Ab hier wird nach Süden jeder Gipfel sukzessive kleiner. Am Himmel sind für den frühen Morgen ungewöhnlich viele Wolken …

Am Monte Rotondo mit Lavu Bellebone
Am Monte Rotondo mit Lavu Bellebone

Von der Hütte habe ich die Qual der Wahl: Entweder die Variante über den Bergrücken mit schönen Aussichten oder den eigentlichen GR20 das Tal hinab, vorbei an schönen Gumpen, und das nächste Tal wieder hinauf. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich für das Tal entscheide, aber die Aussicht erledigt sich mit den aufziehenden Wolken und außerdem habe ich Lust auf etwas Abwechslung. Die Gumpen sind wirklich toll, fast wie ein kleiner Pool, in den ein kleiner Wasserfall stürzt. Mehrmals stoppe ich, um die Badehose doch noch einmal anzuziehen, während es oben bereits regnet. Kurz bevor ich die Bergerie de l’Onda erreiche, komme ich in ein Gewitter, das Zelt baue ich im Regen auf.

Gumpe am GR20
Gumpe am GR20

Es blitzt, donnert und schüttet die ganze Nacht. Am Morgen hört zwar das Blitzen auf, dafür duckt sich das Zelt unter Sturmböen und der Starkregen trommelt unvermindert auf das Zelt. Der Biwakplatz leert sich, manche flüchten in die Hütte, andere geben auf und steigen ins Tal ab. Keine schöne Vorstellung, im peitschenden Regen mit dem Gefühl des Scheiterns abzusteigen (auf dem Weg, auf dem ich gestern gekommen bin). Ich bleibe lieber im halbwegs trockenen Zelt und lege einen unfreiwilligen Ruhetag ein. Bei meinem Nachbarn brechen die Stangen und stechen wie Lanzen durch die Zeltplane, ein paar Leihzelte kullern über den Biwakplatz, eines hängt an einer Schnur am Zaun fest und hüpft wie ein Pendel hin und her. Abends hört der Regen auf und die Wiese füllt sich wieder mit Zelten – ein gutes Zeichen.

Als der Wecker klingelt: Klarer Sternenhimmel und am Horizont kündigt ein roter Streifen die Sonne an. Es geht hinauf zum Grat, wo ich den Rucksack liegen lasse und weiter auf den Gipfel des Monte d’Oro aufsteige. Von oben ist das Meer auf beiden Seiten deutlich zu sehen, aber ich stelle fest, dass die Berge mir irgendwie nicht ihre schönste Seite zuwenden. Es ist von hier aus schon zu erkennen, wie sich der Charakter des Südteils des GR20 ändert: weniger hoch, weniger steil und grüner. Ich kehre zum Rucksack zurück und steige Richtung Vizzavona ab. An einem von Touristen umlagerten Wasserfall biege ich auf die Variante über den Col de Vizzavona ab, so spare ich mir das Dorf und ein paar Höhenmeter (auch am Pass gibt es Unterkünfte, Restaurants und einen kleinen Laden).

GR20 Südteil (Vizzavona – Conca)

Direkt nach dem Mittagessen gehe ich weiter, schließlich habe ich durch den Regen einen Tag verloren: Vom Pass durch den Wald aufwärts, bis ich an der Waldgrenze auf den GR20 treffe, der direkt vom Ort heraufkommt. Von der nächsten Schulter habe ich noch mal einen tollen Blick zurück, vor allem auf den Monte d’Oro. Dann geht es fast höhenlinienparallel durch lichten Wald, hin und wieder mit Ausblicken, an zwei Bergeries vorbei zum Refuge de Capanelle (genauer gesagt Gîte U Fugone, das eigentliche Refuge Capanelle ist ca. 100 m höher, anders als im Wanderführer eingezeichnet). Die Ankunft ist ein Schock, furchtbar wie hier das kleine Skigebiet in die Hänge gegraben wurde, auf den Trassen wächst nichts mehr.

Lac de Bastiani und Monte Renoso
Lac de Bastiani und Monte Renoso
Lac de Bastiani
Lac de Bastiani

Die nächste Etappe preist der Rother Wanderführer nicht gerade an: „Rennstrecke in den Süden“. Zum Glück gibt es eine sehr schöne Alternative, nämlich über den Monte Renoso. Als ich am Morgen am spiegelglatten Lac de Bastiani stehe bin ich wieder mit Korsika versöhnt. In einem Bogen geht es weiter zum Gipfel und dann folge ich dem Bergrücken nach Süden, steige zu einer Bergerie ab und treffe im Wald wieder auf den GR20.

Pozzi
Moor bei Bergeries des Pozzi von der Überschreitung des Monte Renoso

Dieser bringt mich zu einem Pass, dem Col de Verde. Nach einem schweißtreibenden Anstieg (bei dem mich der Blick zurück immer wieder an Armenien und Nagorny Karabach erinnert) erreiche ich ein grünes Hochplateau, mit Blick auf die Ostküste mit ihren Lagunen. An dessen Rand baue ich am Refuge de Prati mein Zelt auf.

GR20 Sonnenaufgang am Refuge de Prati
Sonnenaufgang am Refuge de Prati
GR20 zwischen Refuge de Prati und Refuge d'Usciolu
GR20 zwischen Refuge de Prati und Refuge d’Usciolu

Am nächsten Tag geht es über einen langen Rücken auf und ab. Viel grün, aber auch knollige, säulige, bucklige Felsen. Schon zu beginn liegt mitten auf dem schmalen Weg ein bestialisch stinkender Kadaver eines Mufflons. Heute weht ein eisiger Wind, zumindest auf einer Seite des Rückens. Wenn ich auf der anderen Seite gehe, läuft der Schweiß in Strömen, kaum geht es wieder hinüber, fühle ich mich mit meinem tropfnassen Shirt wie in ein Eisfach geworfen. Der Monte Incudine kommt in Blick, links daneben die Bavella – und damit quasi das Ziel. Mittags erreiche ich das Refuge d’Usciolu und verbringe dort einen entspannten Nachmittag.

Zwischen Refuge de Prati und Refuge d’Usciolu

Die Fortsetzung des Bergrückens vom Vortag heißt Denkmalsgrat, hier sind die Felsknubbel noch etwas kleiner. Über diesen erreiche ich einen Wald am Rand eines Hochplateaus unterhalb des Monte Incudine. Auf einer Lichtung habe ich die Wahl: Entweder über den alten GR20 direkt zum Monte Incudine (die Hütte auf dieser Strecke ist vor ca. 10 Jahren abgebrannt) oder auf der neuen Route in einem weiten Bogen an drei Bergeries vorbei zum Monte Incudine.

GR20 am Denkmalsgrat
Am Denkmalsgrat
Am Denkmalsgrat
Am Denkmalsgrat

Ich nehme die alte Route. Erst geht es mehr über Lichtungen als durch Wald, dann führt der Weg durch eine merkwürdige offene Hügellandschaft, die mit niedrigem Gestrüpp, Farn und Eisenhut bewachsen ist. Winzige Bächlein mit englischem Rasen am Rand schlängeln sich hindurch. Schließlich geht es wieder hinauf, zum Gipfel des Monte Incudine. Wieder einmal ein schöner Ausblick: Links und rechts die Küste, unter mir die Türme der Bavella, im Hintergrund ist Sardinien zu ahnen. Noch ein steiler Abstieg und ich erreiche das frisch wieder aufgebaute Refuge d’Asinau (auf Korsika scheinen Berghütten regelmäßig abzubrennen …).

Monte Incudine, Korsika
Am Monte Incudine

Die Bavella besteht aus zwei Bögen aus Felstürmen, mit dem Pass dazwischen, einer bewaldeten Hügellandschaft. Geologisch handelt es sich um einen anorogenen Granitkomplex mit einem grobkörnigen Granit im Zentrum, umgeben von einem feinkörnigen Mikrogranit. Quer hindurch läuft eine breite Störungszone, daher der Pass. Anstatt in einem Bogen um die Felstürme herum zum Col de Bavella zu laufen, wähle ich die alpine Variante zwischen den Felstürmen hindurch.

An der alpinen Variante durch die Bavella
An der alpinen Variante durch die Bavella

Hinauf geht es einfach in Serpentinen, hin zu einer steilen Wiese zwischen den Türmen. Die Landschaft erinnert tatsächlich an die Dolomiten. Ohne Gepäck besteige ich in kurzer, leichter Kraxelei Turm III. Von hier aus zum Pass hinab geht es auf und ab mit phantastischen Ausblicken und hin und wieder leichten Kletterstellen.

Trou de la Bombe, Bavella
Trou de la Bombe, Bavella
Trou de la Bombe, Bavella
Trou de la Bombe, Bavella

Nach dem Mittagessen am Col de Bavella könnte ich problemlos noch zum Refuge de Paliri laufen, aber ich habe einen Tag übrig und checke in einer Gîte mit Halbpension ein (Camping ist in der Bavella streng verboten). Ich erkunde die Gegend, vor allem am bei Tagestouristen beliebten Felsloch Trou de la Bombe. Direkt dahinter besteige ich auf unmarkierten Pfaden die Gipfel Promotoire und Punta Velaco, von denen ich einen gewaltigen Blick auf die Felstürme habe – so schön, dass ich den Promotoire noch mal zum Sonnenaufgang besteige. Einmal taucht auf einem Felsen über mir ein Mufflon auf, sieht mich ein paar Sekunden lang neugierig an und verschwindet wieder.

Blick vom Promotoire, Bavella
Blick vom Promotoire, Bavella

Nach dem Frühstück mache ich mich auf den kurzen Weg über die Foce Finosa zum Refuge de Paliri. Der Weg auf der Südseite der Berge ist besonders schön und das Refuge de Paliri ist die am schönsten gelegene Hütte des ganzen Treks. Zur Feier des letzten Abends esse ich auf der Terrasse das Menü und trinke Rotwein, der gut gelaunte Hüttenwirt packt die Gitarre aus und singt korsische Lieder.

GR20 Refuge de Paliri
Am Refuge de Paliri

Auf der letzten Etappe dreht der GR20 noch mal richtig auf. Im oberen Teil über Bocca di Monte Bracciutu und Bocca di u Sordu geht es durch eine faszinierende Landschaft mit über den Kiefern aufragenden Felstürmen. Ich muss an Kung-Fu-Filme denken und würde mich nicht wundern, auf ein chinesisches Kloster mit Shaolin-Mönchen zu treffen. Dann rückt das Meer in den Fokus, das nicht mehr allzu weit ist. Es geht nun abwärts, die Macchia wird dichter, die Felsen werden kleiner, die Hitze nimmt zu und das Meer rückt immer näher. Ein letztes Bad in einer Gumpe, dann der Endspurt nach Conca.

GR20 Bocca di Monte Bracciutu
Auf der letzten Etappe

Ich trampe zum nahe gelegenen Campingplatz Fautea, direkt am Meer neben zwei Stränden – und zweimal täglich fährt der Bus nach Bastia vorbei und hält auf Wunsch.

Es war wirklich trop cool. Als Fazit frage ich mich, ob der GR20 es in meine Top 3 der schönsten Treks schafft. Die Konkurrenz ist groß und es geht nur mit einem Kompromiss: Platz 1 bleibt Drei Pässe am Everest, Platz 2 die Cordillera Huayhuash in Peru und Platz 3 teilen sich Torres del Paine und GR20.


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Am Golf von Porto (Korsika)
Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen
Trekking und Fotografie

Geologie von Korsika

Kurze Einführung zu den alpinen Decken im Nordosten und den variszischen Graniten im übrigen Korsika.

Ich nehme meine Wanderung auf dem GR20 zum Anlass, eine kurze Einführung zur Geologie von Korsika zu schreiben. In der Schule erzählen ja manche Erdkundelehrer, dass ein junges Gebirge so aussieht wie die Alpen, während ein altes Gebirge schon etwas erodiert ist und dann so aussieht wie der Schwarzwald. Das ist Quatsch, wie ich in meinem Buch Bewegte Bergwelt erklärt habe. Auf Korsika ist es sogar genau umgekehrt: Die hohen und schroffen (Bergsteiger würden sagen: „alpinen“) Berge der Insel sind Teil des alten, variszischen Gebirges, während die kleinen Berge und Hügel im Nordosten (zwischen Corte und Cap Corse) das junge Gebirge, das (im geologischen Sinn) alpine Korsika sind. Ich beginne hier mit der alpinen Gebirgsbildung und erkläre später den variszischen Teil.

Korsika Geologie
Vereinfachte geologische Karte (nach unten genannten Quellen grob zusammengestellt)

Das alpine Korsika

Tatsächlich ist Korsika eigentlich die westliche Fortsetzung der Alpen. Wenn wir uns ins späte Eozän versetzen, müssen wir den Block mit Korsika und Sardinien im Uhrzeigersinn gedreht vorstellen, sodass er am Südrand der Provence anliegt. Die alpinen Einheiten von Korsika sind Gesteinsdecken, die über den Rand des Grundgebirges (= variszisches Korsika) geschoben wurden. Es handelt sich um den Akkretionskeil einer Subduktionszone, an der seit der Oberkreide ozeanische Kruste des penninische Ozeanes abtauchte. (In den Alpen gibt es entsprechende penninische Einheiten und das korsische Grundgebirge entspricht in den Alpen dem Briançonnais, einst eine Schwelle zwischen zwei Meeresbecken. Siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt.)

Allerdings ist umstritten, ob hier ozeanische Kruste des penninischen Ozeanes nach Norden unter Provence/Korsika abtauchte (demnach wurden die alpinen Einheiten von der abtauchenden Platte geraspelt und über den Kontinent geschoben) oder zunächst nach Süden unter einen Minikontinent, Nebbio, der dann mit dem Akkretionskeil kollidierte und Teil des Deckenstapels wurde (nach dieser Theorie folgte ab dem späten Eozän die Subduktion in die umgekehrte Richtung, unter Provence/Korsika). Die Deckenüberschiebungen sorgten noch in der Provence zu einer Verformung, die dortigen Berge sind der dazugehörige Falten- und Überschiebungsgürtel. Zwischen Korsika und der Provence verlief eine große Transformstörung.

Den größten Teil des korsischen Deckenstapels bilden die sogenannten Schistes Lustrés (sie entsprechen grob den gleichnamigen Einheiten der Alpen, dort auch Bündnerschiefer genannt). Es handelt sich um eine tektonische Melange mit Schuppen aus unterschiedlichen Gesteinen in einer feinen schiefrigen Matrix, sehr typisch für einen Akkretionskeil. Die Gesteine haben in diesem Fall eine Hochdruckmetamorphose durchgemacht (Blauschiefer- bis Eklogitfazies, sie sind also tief in die Subduktionszone abgetaucht und später wieder aufgestiegen), wobei die Ausgangsgesteine Sedimente, Basalt, Gabbro und den Mantel umfassen (also ein Schnitt durch die ozeanische Lithosphäre, was wir Ophiolith nennen). Jetzt liegen sie als Marmor, Kalkschiefer, Blauschiefer, Serpentinit usw. vor.

Im Akkretionskeil sind auch größere Späne der kontinentalen Kruste eingebettet, die vom „variszischen Korsika“ stammen (vor allem ehemalige Granite) und mehr oder weniger tief abtauchten und zu entsprechenden Gneisen umgewandelt wurden. Einige befinden sich zwischen den Schistes Lustrés und dem Grundgebirge, als tiefste Einheit im Deckenstapel: die „externen kontinentalen Einheiten“. Andere tauchten noch tiefer ab und stiegen wieder auf, sie befinden sich nun innerhalb der tektonischen Melange: die „internen kontinentalen Einheiten“.

Über den Schistes Lustrés finden sich die oberen Decken, deren Gesteine fast keine Metamorphose abbekommen haben. Sie sind relativ spät und ohne vorher in die Tiefe abzutauchen überschoben worden. Dabei handelt es sich überwiegend wieder um Ophiolithe (Balagne-Decke), aber auch um ein Stück kontinentale Kruste (Nebbio).

Schließlich gibt es noch Flysch, eine Wechsellagerung aus Sand- und Tonsteinen, die im Meer durch Trübeströme entstehen, die den Hang hinab in die Tiefsee rutschen. Das passiert vor allem vor der Front des Deckenstapels während der Gebirgsbildung, solange das Gebirge nicht über den Meeresspiegel aufgestiegen ist. Die Decken können den Flysch wie ein Schneepflug vor sich herschieben, sodass es zu Verwerfungen und Falten kommt. In Korsika gibt es an mehreren Stellen entlang der Grenze zwischen den alpinen Decken und dem variszischen Grundgebirge etwas Flysch aus dem Eozän.

Die jüngere geologische Geschichte

Während im Alpenraum die Gebirgsbildung weiterging, der penninische Ozean verschwand und die adriatische Platte mit Europa kollidierte, passierte mit Korsika etwas ganz anderes. Der Zug der schweren subduzierenden Platte führte im Hinterland (Back-Arc) zu einer so starken Dehnung, dass sich der Block mit Korsika und Sardinien im Oligozän von Europa löste und mit einer rotierenden Bewegung nach Süden driftete, auf der Rückseite bildete sich neue ozeanische Kruste. Im Miozän blieben Korsika und Sardinien quasi in ihrer heutigen Position liegen, seither wird die Kruste östlich davon gedehnt. Die Subduktionszone ist noch weiter rotiert und in dieser taucht bereits die kontinentale Kruste der adriatischen Platte ab: Daher die Gebirgsbildung der Apenninen.

Im Miozän lagerte sich an der Südspitze bei Bonifacio noch die gleichnahmige Formation ab, erst siliklastische Gesteine in Küstennähe, später im etwas tieferen Wasser Kalkarenite. Heute sind diese als schöne Kliffs vom Meer angeschnitten.

Während der Eiszeiten bildeten sich in den höchsten Gebirgszonen im Norden und Zentrum der Insel große Gletscher, die zum Teil weit die Täler hinabflossen und typische Landschaften wie Felsgrate, Karseen und U-Täler hinterließen. Im Süden gab es weniger und kleinere Gletscher.

Das variszische Korsika

Granite, Granite, Granite … Das ist eine sehr kurze Zusammenfassung der Geologie von weiten Teilen der Insel. Wenn wir genauer hinsehen, ergibt sich aber ein variableres Bild.

Bei der variszischen Gebirgsbildung im Devon und Karbon kollidierten die Großkontinente Laurussia (Nordamerika, Grönland, Nordeuropa, Westrussland) und Gondwana (Afrika, Südamerika, Indien, Australien, Antarktis) und schufen so den Hauptteil des Großkontinents Pangäa. Zwischen beiden befanden sich auch mehrere kleinere Kontinente und sehr viele noch kleinere „Terrane“, die überwiegend vorher von Gondwana abgedriftet waren und die nun alle von der Gebirgbildung erfasst wurden. Entsprechend gab es sehr viele Nahtstellen und ein sehr breites Gebirge. Als Vorläufer von Korsika und Sardinien müssen wir uns mehrere kleine Terrane in der Nähe von Gondwana vorstellen.  Von diesen sind aber nur spärliche Reste übrig, metamorphe Gesteine und Migmatite, die an wenigen Stellen als schmale Streifen zwischen den Granitplutonen zu finden sind.

Die Granite entstanden erst spät während dieser Gebirgsbildung. Es handelt sich um den Korsika-Sardinien-Batholith, der 500 km lang und 50 km breit ist und überwiegend aus vielen Plutonen aus Granit und ähnlichen Gesteinen aufgebaut ist. Viele Batholithe entsprechen einem tieferen Bereich des Vulkanbogens einer Subduktionszone, hier haben wir es mit einem anderen Typ zu tun.

Die Plutone lassen sich in drei Einheiten unterteilen, die jeweils einem Zeitraum und einer Serie von Zusammensetzungen entsprechen:

  • U1: 350320 Ma vor heute (Unterkarbon), mit Quarzmonzonit, Monzogranit, Leucomonzogranit und mafischen Kumulaten. Die Gesteine enthalten Hornblende und Biotit und große Kalifeldspäte. Sie haben hohe Gehalte an K und Mg und werden daher als „Mg-K-Serie“ bezeichnet. Sie entstanden durch eine Mischung aus Mantel- und Krustenschmelzen. Die Phase dürfte einem späten Zeitpunkt während der Kollision unserer Terrane mit Gondwana entsprechen. Es ist relativ wahrscheinlich, dass wenig früher der schwere Teil der in eine Subduktionszone abtauchenden Platte abgerissen war, im Mantel gab es daraufhin eine Strömung nach oben, aus dem angereicherten Mantel stiegen Schmelzen auf und auch die Kruste wurde angeschmolzen. Auf Korsika gehören mehrere Plutone im Nordwesten dazu, insbes. bei Calvi und etwas südlich von Porto.
  • U2: 320305 Ma (Oberkarbon), mit Amphibol-Biotit-Granodiorit, Biotit-Monzogabbro, Leucomonzogranit. Werden als „kalkalkalische Granite“ bezeichnet, wobei es sich um Schmelzen aus der kontinentalen Kruste handelt. Die weitaus meisten Plutone des Batholiths gehören dazu, auf Korsika dominieren sie  die südlichen ⅔ der Insel. Die Plutone haben eine längliche Form parallel zum damaligen Gebirge. Die Phase entspricht einer Zeit, in der die eigentliche Gebirgsbildung bereits abgeschlossen war. Es kam aber wohl zu einer starken Scherung entlang großer Transformstörungen, die parallel zu den Strukturen des Gebirges verliefen, und dabei zu einem Aufschmelzen der Kruste und dem Aufstieg von Schmelzen. Die Schmelzen verstärken die Bewegung, während Reibung wiederum die Temperatur erhöht. Im Nordwesten sind auch Vulkanite dieser Phase erhalten (Andesit, Dazit).
  • U3: 290280 Ma, also bereits im Perm. Zu dieser Zeit war das Gebirge bereits abgetragen und der Batholith freigelegt. Im Zuge einer weiträumigen Dehnung drangen noch ein paar (anorogene) A-Typ-Granite ein.  Diese  Gesteine haben eine vielfältige Zusammensetzung, manchmal kommen mehrere gemeinsam in einem Ringkomplex vor (zum Beispiel bei Porto). Die Plutone sind elliptisch, fast im rechten Winkel zu den anderen angeordnet und die Magmen sind in geringer Tiefe kristallisiert oder kamen sogar bis an die Oberfläche (Caldera-Vulkane mit Ignimbriten, Tuffen, Laven). Solche Komplexe unterschiedlicher Größe sind über die ganze Insel verteilt (z. B. Bavella-Granit und Evisa), wobei es im Norden einen Streifen mit besonders vielen gibt (mit Porto-Ringkomplex, Evisa-Massiv,  Bonifatto-Granit, Monte-Cinto-Caldera, Scandola-Caldera etc.).

Für Wanderer auf dem GR20 ist die zur U3-Serie gehörende Monte-Cinto-Caldera besonders interessant (wobei nicht die eigentliche Caldera zu sehen ist, sondern ihre Füllung). Sie ist elliptisch, mit etwa 15 km Länge und 10 km Breite, wobei ein Profil von ca. 2000 m in Tälern und Bergen aufgeschlossen ist. Der Berg Muvrella ist im Zentrum der Caldera, am Südostrand stehen Monte Cinto und Capu Tafunatu. Der Ort Calenzana (im Norden)  befindet sich nur ca. 2 km außerhalb. Es handelt sich überwiegend um Rhyolithe, die als pyroklastische Ströme abgelagert wurden (Ignimbrite und Surges). Besonders gut sind die mittleren und oberen Einheiten in den Hängen um Haut Asco zu sehen: Hier überwiegend Surges (einschließlich Monte Cinto), am Gipfel des Muvrella finden sich darüber auch mehrere Ignimbrite. Später drangen verschiedene Gänge und Sills ein und einige Lavadome stiegen auf (sowohl im Inneren als auch am Rand). Im Norden intrudierte auch noch ein kleiner Granitpluton in die Vulkanite, der Bonifatto-Granit.

Literatur

Lacombe & Jolivet (2005). Structural and kinematic relationships between Corsica and the Pyrenees-Provence domain at the time of the Pyrenean orogeny. Tectonics 24, 1-20.

Molli (2008). Northern Apennine–Corsica orogenic system: an updated overview. In: Siegesmund, Fügenschuh, Froitzheim (Hrsg.), Tectonic Aspects of the Alpine-Dinaride-Carpathian System. Geological Society, London, Special Publications.

Advokaat et al. (2014). Eocene rotation of Sardinia, and the paleogeography of the western Mediterranean region. Earth and Planetary Science Letters 401, 183–195.

Ferré & Leake (2001). Geodynamic significance of early orogenic high-K crustal and mantle melts: example of the Corsica Batholith. Lithos 59, 47-67.

Casini et al. (2015). Evolution of the Corsica–Sardinia Batholith and late-orogenic shearing of the Variscides. Tectonophysics 646, 65-78.

Paquette et al. (2003). Episodic and short-lived granitic pulses in a post-collisional setting: evidence from precise U–Pb zircon dating through a crustal cross-section in Corsica. Chemical Geology 198, 1-20.

Bonin (1988). Peralkaline granites in Corsica: some petrological and geochemical constraints. Rendiconti della Società Italiana di Mineralogia e Petrologia 43, 281-306.

Mercury et al. (1994). Le caldeira du Monte Cinto: établissement du log détaillé des formations volcaniques permo-triasiques de la vallée de l’Asco (Haute Corse). Géologie de la France 2, 3-19.

Am Oberharzer Wasserregal

Wanderungen an den einst für den Bergbau im Harz angelegten Gräben und Teichen

Die Bergleute im Oberharz hatten ab dem 16. Jh. ein Problem. Je tiefer ihre Gruben wurden, desto schwerer war es, das Wasser und die Erze herauszubekommen. Wasserknechte, die mit gefüllten Eimern die Leitern hinaufklettern, reichten nicht mehr aus. Doch um Pumpen anzutreiben, brauchte es ein Wasserrad (Kunstrad) und dazu einen Bach. Die ergiebigen Gruben insbesondere von Clausthal und Zellerfeld lagen jedoch weit oben, der Oberharz ist eine Art Hochplateau. Es klingt paradox: Um das Wasser aus den Gruben zu heben, musste immer mehr Wasser in einem System aus Gräben und Teichen zu den Schächten gebracht werden.

Innerhalb von 300 Jahren wurden Gräben mit einer Gesamtlänge von 500 km ausgehoben, um Wasser einzusammeln und zu den Bergwerken zu bringen, und 143 Teiche aufgestaut, um das Wasser für trockene Zeiten zu speichern (nicht alle waren gleichzeitig aktiv). Ein Teil davon ist noch erhalten und da neben jedem Graben auch ein Weg angelegt wurde, kann dieses Kulturdenkmal schön erwandert werden. Einige „Wasserwanderwege“ sind als Lehrpfade markiert, zwischen kurzen Spaziergängen und Halbtageswanderungen ist alles dabei.

Dammgraben, Oberharzer Wasserregal
Dammgraben

„Haltet die Wasser hoch“ war das Grundmotto. Die Gräben verlaufen mit minimaler Neigung und folgen nahezu den Höhenlinien. Und manchmal wurden in geringen Abständen mehrere parallele Gräben angelegt, das Wasser des oberen konnte so noch ein Wasserrad mehr antreiben, der untere Graben Wasser aus größerer Entfernung liefern. Die Teiche sind meist als Kaskade übereinander angeordnet, das Wasser aus dem obersten Teich floss über mehrere Wasserräder und durch mehrere weitere Teiche, bevor es den tiefsten Punkt des Systems erreicht hatte. Als man irgendwann vom Tal aus einen Wasserlösungsstollen zum Bergwerk getrieben hatte, konnte man sogar unter Tage Wasserräder einbauen und damit die tiefsten Pumpen antreiben.

Oberer Pfauenteich
Auf dem Damm des Oberen Pfauenteichs

Eine Art „Best Of“ ist die Kombination der recht kurzen Wege „Hutthaler Widerwaage“ und „Hirschler / Pfauenteiche“. Die drei Pfauenteiche und der direkt oberhalb liegende Hirschler Teich sind eine Kaskade am östlichen Ortsrand von Clausthal, nahe zweier besonders ergiebigen Bergwerke. Der große und hochgelegene Hirschler Teich war besonders wichtig, weil sein Wasser erst für die Grube Carolina und dann noch für die Grube Dorothea verwendet werden konnte. Vom Oberen Pfauenteich schaffte es das Wasser noch zur Grube Dorothea, während der Mittlere und der Untere Pfauenteich schon so tief liegen, dass die Kraft mit einer Stangenkunst (ein Holzgestänge) vom Wasserrad zur Grube übertragen werden musste.

Hutthaler Widerwaage, Oberharzer Wasserregal
Hutthaler Widerwaage

Also musste möglichst viel Wasser dem Hirschler Teich zugeführt werden. Dazu baute man im 18. Jh. auch die Huttaler Widerwaage. Es handelt sich um ein kleines Staubecken, das durch einen waagrechten Stollen mit dem auf der anderen Seite der Wasserscheide liegenden Hirschler Teich verbunden ist. Außerdem folgt ein waagrechter Graben dem Hang entlang zum Unteren Hutthaler Teich (der heute nicht mehr mit Wasser gefüllt ist), der damit quasi zu einem Nebenbecken des Hirschler Teichs wurde. Damals war man sich gar nicht sicher, ob das Wasser ohne Neigung überhaupt fließen würde, aber es funktionierte: Bei Niedrigwasser konnte dem Hirschler Teich nun Wasser aus dem Nachbartal zufließen, bei Hochwasser konnte überflüssiges Wasser in die andere Richtung fließen und im Hutthal gespeichert werden. Der Wanderweg führt über den Damm dieses Teiches, der gleichzeitig ein Aquädukt war, der Graben führt direkt über die Dammkrone.

Schwarzberger Wasserlauf
Manchmal geht es ein Stück unterirdisch weiter, wie hier am Schwarzberger Wasserlauf

Bald erreicht man den Schwarzenberger Wasserlauf, einen Stollen, der wieder auf die andere Seite der Wasserscheide führt — über diese Abkürzung konnte auf der anderen Seite eingesammeltes Wasser noch den Hirschler Teich erreichen. Weiter geht es zum Polsterberger Hubhaus, heute eine Gaststätte. Früher wurde hier Wasser aus einem tieferen Graben in einen höheren Graben gepumpt. Es folgt der Jägersbleeker Teich und schließlich wird wieder der Hirschler Teich erreicht.

Dammgraben, Oberharzer Wasserregal
Dammgraben

Für eine längere Wanderung empfiehlt sich der Dammgraben oberhalb Altenau, der Wasser aus dem Brockengebiet einsammelte und Richtung Clausthal brachte. Sehr hübsch geht es in vielen Kurven den Hang entlang durch den Wald, immer das plätschernde Wasser neben dem Weg. Leider muss man nach 10,5 km auch wieder zurück (und zwar am einfachsten auf demselben Weg).

Rehberger Graben
Rehberger Graben

Sehr interessant ist noch der Rehberger Graben (der sich mit einem direkteren Rückweg zu einer Runde von 15 km kombinieren lässt). Er brachte Wasser aus dem Oderteich — ein regelrechter Stausee, über dessen Damm die Bundesstraße 242 führt — zu den Bergwerken in Sankt Andreasberg. Hier war der Grabenbau besonders schwierig, weil es teilweise an einem steilen Hang mit Felsen und Geröllfeldern entlang ging. Nebenbei kommt man an einem Aufschluss vorbei, an dem Granit durch starke chemische Verwitterung weitgehend zu Sand vergrust ist, einzelne „Wollsäcke“ und Kernsteine (also Granitboulder) aber noch erhalten sind. Ein besonders anschauliches Beispiel von Wollsackverwitterung.

Wollsackverwitterung, Granit, Harz
Wollsackverwitterung

Um nicht nur Wald und Wasser zu sehen, besuche ich noch die sehr eindrucksvolle Mineraliensammlung der TU Clausthal, das Oberharzer Bergwerksmuseum in Zellerfeld und die Grube Samson in Sankt Andreasberg.


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Teufelsmauer
Rammelsberg

Durchquerung der Hohen Tatra

Wanderung durch ein kleines feines Hochgebirge von Polen in die Slowakei: In 3 Tagen vorbei am See Morskie Oko (Meerauge), über den Klettersteig Orla Perć und auf die Gipfel Rysy (Meeraugspitze) und Kôprovský štít.

Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami
Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami

Die Hohe Tatra ist ein regelrechtes Schatzkästchen eines Hochgebirges: Schroffe Granitwände und Pfeiler, 1000 m hohe Nordwände, Gämsen und Enzian (versteckt gibt es auch Bären) und vor allem zahllose wunderschöne Bergseen auf engstem Raum. Sie liegt überwiegend in der Slowakei, wobei Polen einen kleinen, besonders schönen Zipfel abbekommen hat.

Hohe Tatra vom Orla Perć
Hohe Tatra vom Orla Perć (u.a. mit Fünfseenhütte, Rysy, Gerlach)

Es handelt sich um den höchsten und alpinsten Teil der Karpaten, wobei die Fläche, nur mal zum Vergleich, deutlich kleiner ist als das ehemalige West-Berlin. Oft wird die Hohe Tatra als „kleinstes Hochgebirge der Welt“ bezeichnet, aber es gibt sicher weitere Kandidaten für diesen Titel (mir fällt z.B. Durmitor ein).

Orla Perć
Orla Perć (hinten Świnica)

Das gesamte Gebiet ist durch einen slowakischen und einen polnischen Nationalpark geschützt. Wanderer müssen daher auf den markierten Wegen bleiben — und da nur auf die wenigsten Berge ein markierter Weg führt, dürfen die meisten Berge nur mit Bergführer bestiegen werden. Zelten ist verboten und es darf nur bei Tageslicht gewandert werden. Es gibt jedoch genug Berghütten und lohnenswerte Aussichtspunkte.

Vysoká
Vysoká (Aufstieg zu Rysy)

Die Anreise kann auf der polnischen Seite über Zakopane erfolgen (Bahn und Bus, regelmäßige Verbindung nach Krakau, mit Flixbus täglich ohne Umsteigen von Berlin). Auf der slowakischen Seite erreicht man viele mögliche Ausgangspunkte mit der Schmalspurbahn TEŽ, die von Poprad (Bahn, Flug) am Fuß der Berge entlang nach Štrbské Pleso führt, wobei Štrbské Pleso auch direkt per Zahnradbahn vom Bahnhof Štrba (dort z.B. Schnellzüge von Prag) erreicht werden kann.

Am Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)
Am Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)

Ich beginne auf der polnischen Seite, indem ich früh morgens von Zakopane zum Parkplatz Palenica Białczańska trampe — besser bekannt als der Parkplatz für den See Morskie Oko (Meerauge) und auch regelmäßig von Minibussen angesteuert.

Der See Przedni Staw Polski bei der Fünfseenhütte (Hohe Tatra)
Der See Przedni Staw Polski bei der Fünfseenhütte (Hohe Tatra)

Nach einem kurzen Stück auf dem bequemen Spazierweg biege ich in ein Seitental ab und steige zur notorisch ausgebuchten Fünfseenhütte (Schronisko Pięciu Stawów) auf, wo ich, noch früh am Tag, mit Glück noch ein Bett bekomme. Neben der Hütte und weiter talaufwärts gibt es tatsächlich — na ja, vier Seen und einige Tümpel (welcher auch immer als Nummer 5 zählt), nämlich Przedni Staw Polski, Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski und Zadni Staw Polski (dt.: Vorderer / Großer / Schwarzer / Hinterer Polnischer See).

Die Seen Przedni Staw Polski (mit Fünfseenhütte), Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski, Blick von Kozi Wierch
Die Seen Przedni Staw Polski (mit Fünfseenhütte), Wielki Staw Polski, Czarny Staw Polski, Blick von Kozi Wierch

Das Ziel des Tages ist der Klettersteig Orla Perć (Adlerpfad), der von der Scharte Zawrat den Grat entlang auf den Gipfel Kozi Wierch (2291 m) und weiter zum Pass Krzyne führt, also parallel zu den „fünf“ Seen auf der nördlichen Talseite.

Blick vom Orla Perć auf Świnica (Hohe Tatra)
Blick vom Orla Perć auf Świnica, links der Hintere Polnische See

Er ist technisch einfach (wird meist ohne Ausrüstung begangen), aber teils schön ausgesetzt und wegen der vielen Scharten und Felspfeiler kommen einige Höhenmeter zusammen. Dabei beobachte ich, wie die Wolken die Berge umwabern und immer mal wieder den Blick auf einen der Seen freigeben.

Orla Perć
Orla Perć

Am nächsten Morgen stehe ich wieder früh auf und sehe so, wie voll die Hütte ist: Selbst in den Fluren und im Treppenhaus schlafen Menschen, im Essensraum ist kein Quadratmeter frei.

Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)
Wielki Staw Polski (nahe Fünfseenhütte)

Diesmal steige ich auf der anderen Talseite auf zum Szpiglasowy Wierch (2172 m), von dessen Gipfel ich ganze 7 Seen sehen kann (die vielen Tümpel nicht mitgezählt). Einer davon ist das berühmte „Meerauge“, der Morskie Oko, zu dem ich nun absteige. Er liegt malerisch unter den 1000-m-Nordwänden der Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen) und des Rysy (Meeraugspitze).

Morskie Oko (Meerauge) mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

So einsam wie auf den romantischen Bildern, die ich in den Tuchhallen in Krakau gesehen habe, ist es hier aber nicht: Hunderte Tagesausflügler kommen auf dem Spazierweg zur auf der Moräne stehenden Hütte und schwärmen in alle Richtungen aus. Ich gönne mir ein frühes Mittagsessen, spaziere am Ufer entlang und steige am anderen Ende steil zum eine Stufe höher liegenden See Czarny Staw pod Rysami auf. Wiederum am anderen Ende beginnt der Aufstieg zum Rysy. Immer steiler geht es erst zwischen den Felsen und dann über leichten griffigen Granit zum Gipfel. Allerdings ziehen plötzlich Wolken auf und oben angekommen ist nicht mehr viel zu sehen.

Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami und auf Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)
Blick von Rysy (Meeraugspitze) auf die Seen Morskie Oko (Meerauge) und Czarny Staw pod Rysami und auf Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

Der 2503 m hohe Rysy  (Meeraugspitze) ist der höchste Gipfel der Hohen Tatra, der ohne Bergführer bestiegen werden darf. Und er bietet eine grandiose Aussicht: Auf das Meerauge und andere Seen, auf Berge wie Gerlachovský štít (der höchste Berg der Karpaten), Vysoká oder Satan. Der Hauptgipfel des Rysy befindet sich gerade noch vollständig in der Slowakei, während der nur einen Steinwurf entfernte, wenige Meter tiefere Nordgipfel der höchste Berg in Polen ist.

Blick von Rysy
Blick von Rysy

Zum Glück gibt es auf der slowakischen Seite nur 300 Höhenmeter tiefer eine Hütte (grandios das Plumsklo mit Panoramafenster) und ich habe reserviert, kann dem Rysy also eine zweite Chance geben. Vor dem Frühstück sitze ich fast allein oben mit einem grandiosen Blick.

Vysoká vom Anstieg zum Rysy
Vysoká vom Anstieg zum Rysy

Später steige ich von der Hütte zum Talboden ab und biege rechts ab, aufwärts zum nächsten See, Velké Hincovo pleso, und dem nächsten Berg, Kôprovský štít (2367 m).

Der See Velké Hincovo pleso mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)
Der See Velké Hincovo pleso mit Mięguszowieckie Szczyty (Mengsdorfer Spitzen)

Auch dieser ist ein wundervoller Aussichtspunkt, mir gefällt vor allem der Blick auf die beiden Seen auf der Westseite ins Tal Temnosmrečinská dolina.

Blick von Kôprovský štít ins Tal Temnosmrečinská dolina
Blick von Kôprovský štít ins Tal Temnosmrečinská dolina

Ich kehre um und wandere zum See Popradské pleso hinab, der ebenfalls von vielen Ausflüglern frequentiert wird. Eigentlich wollte ich von hier noch einige Tage in einem weiten Bogen zum östlichen Ende der Hohen Tatra und auf der anderen Seite zum Ausgangspunkt zurück wandern, aber wegen einer SMS, die mich nach Hause ruft, breche ich ab. Eine Stunde später erreiche ich den Ort Štrbské Pleso, der hübsch an einem weiteren See liegt, aber ansonsten recht hässlich ist. Immerhin gibt es einen Bahnhof.

Popradské pleso
Popradské pleso

Diskordanz am Siccar Point

Auf den Spuren von James Hutton: Die an der schottischen Küste aufgeschlossene Grenzfläche zwischen unterschiedlich alten Gesteinen spielte in der Geschichte der Geologie eine entscheidende Rolle.

Diskordanz am Siccar Point: Steilgestellte Grauwachen und Tonsteine (vorne rechts), darüber relativ flach liegende etwas jüngere Sandsteine (hinten links).

Der wohl (historisch) wichtigste Aufschluss der Geologie befindet sich an der Küste ca. 40 Meilen östlich von Edinburgh. 1788, zu einer Zeit, als es die Geologie als eigenständige Wissenschaft noch nicht gab und kaum jemand die gängige Lehre anzweifelte, dass die Erde — der Schöpfungsgeschichte in der Bibel entsprechend — nur 6000 Jahre alt sei, fuhr James Hutton mit seinen Freunden in einem Boot die Küste entlang. Er suchte die Grenze zwischen zwei sehr unterschiedlichen Gesteinseinheiten: Zwischen den roten Sandsteinen (Oberdevon)  im Norden und den Grauwacken und Tonsteinen (Silur),  die weiter südlich in den Hügeln der Scottish Borders bekannt waren. Er fand sie am Siccar Point, so schön aufgeschlossen, dass man die geologischen Prozesse im Verlauf der Zeit regelrecht sehen kann. Auch in heutigen Lehrbüchern werden Fotos davon gerne abgedruckt.

Eine Diskordanz (engl. unconformity) ist eine Grenzfläche, an der Gesteinsschichten in einem Winkel aufeinander stoßen (Winkeldiskordanz, im weiten Sinn wird auch eine durch fehlende Sedimentation oder Erosion erzeugte sog. Schichtlücke zwischen parallelen Schichten als Diskordanz bezeichnet). Zuerst wurden die unteren Einheiten im Meer flach abgelagert, dann hörte die Sedimentation auf, die Gesteine wurden verfaltet, über den Meeresspiegel gehoben und erodiert, und erst nach einer längeren Zeitspanne wurden die oberen Sedimente mehr oder weniger flach darüber abgelagert. In jüngerer Zeit hat die Erosion durch das Meer die Grenze teilweise wieder freipräpariert. Hier ist also regelrecht der sogenannte „Kreislauf der Gesteine“ zu sehen, eine Vorstellung, die Hutton entwickelte.

Die unteren Gesteine sind ca. 435 Mio. Jahre alt (Silur). Es handelt sich um Grauwacken und dünne Tonsteinlagen, die im „Ur-Atlantik“ Iapetus abgelagert wurden.

Grauwacke ist eine Art Sandstein, der neben Quarz auch Feldspat, ganze Gesteinsbruchstücke und evtl. weitere Minerale enthält. Sie entsteht in tiefen küstennahen Meeresbecken, die einem Gebirge vorgelagert sind (man denke an Neuseeland oder die Anden). Das Verwitterungsmaterial wird zunächst vor Flussmündungen abgelagert und rutscht dann immer wieder als Trübestrom in die Tiefsee ab. Bis zum nächsten Trübestrom folgt darüber langsame, ruhige Sedimentation von Tonpartikeln.

Warum die Grauwacken verfaltet, gehoben und erodiert wurden, konnte Hutton noch nicht wissen, schließlich wurde die Theorie der Plattentektonik erst wesentlich später entwickelt. Der Ozean Iapetus schloss sich, die Kontinente Laurentia (heute Nordamerika und Grönland), Avalonia (ein Bruchstück von Gondwana, heute England, Nordsee, Norddeutschland) und Baltica (heute Baltikum und Schweden) kollidierten miteinander (siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt) und es entstand der Kontinent Laurussia (auch Old-Red-Kontinent genannt), mit dem Kaledonischen Gebirge an der Naht (heute Appalachen, Schottland, Norwegen, Grönland). Die großen Falten sind in der Steilküste mit Blick nach Osten deutlich zu sehen, die steilstehenden Schichten am Siccar Point sind Teil eines Faltenschenkels.

Paläorelief: Am Steilhang hinter Siccar Point verläuft die Diskordanz weiter oben.

Die Pause der Sedimentation beträgt am Siccar Point 65 Mio. Jahre. Die Old-Red-Sandsteine oberhalb der Diskordanz wurden vor 370 Mio. Jahren (Oberdevon) nicht im Meer (wie Hutton glaubte), sondern an Land in einem tropischen Klima abgelagert, durch Flüsse und z. T. vom Wind zu Dünen umgelagert. Interessant ist die unregelmäßige Form der Diskordanz, z. B. verläuft sie in der Steilküste über dem Siccar Point (neben dem steilen Grashang) deutlich höher. Hier sehen wir tatsächlich das Paläorelief, zu dem Zeitpunkt, als die Sedimentation wieder einsetzte. In den tieferen Bereichen (den Tälern) lagerte sich zunächst ein Konglomerat ab, dessen grobe Komponenten noch von den Grauwacken stammen (ein sogenanntes Basiskonglomerat).  Später wird nur noch Sand geliefert (d. h. das Liefergebiet sind weiter entfernte Reste des teilweise erodierten Kaledonischen Gebirges), das Relief wird überdeckt und die Sedimentation ist relativ eben.

Basiskonglomerat am Siccar Point

Seither wurde das ganze noch leicht verkippt und teilweise wieder freigelegt. In diese lange Zeitspanne fällt die variszische Gebirgsbildung (Kollision von Laurussia und Gondwana und Bildung des Superkontinents Pangäa), der Zerfall der Pangäa mit Bildung des Atlantiks und schließlich die alpine Gebirgsbildung etwas weiter im Süden (Alpen etc.).

James Hutton hatte eigentlich Chemie und Medizin studiert, beschäftigte sich dann aber erst mal auf seiner Farm mit der Modernisierung der Landwirtschaft.  Die unterschiedlich fruchbaren Böden über verschiedenen Gesteinen und Probleme mit Denudation (Bodenerosion) brachten ihn dazu, sich mit Geologie zu beschäftigen. Er untersuchte Bergwerke in England und Wales und begleitete den Kanalbau zwischen Firth of Forth (bei Edinburgh) und Firth of Clyde (bei Glasgow). Er ging davon aus, dass heutige geologische Prozesse ähnlich in der Vergangenheit abliefen und entwickelte langsam die Vorstellung eines Kreislaufes von wiederholter Ablagerung und Erosion.

Auf die erste Diskordanz der Geologiegeschichte stieß er 1787 auf der Insel Arran, eine zweite fand er im selben Jahr bei Jedburgh. Im Jahr darauf stieß er auf den Siccar Point. Er hatte bereits so viel Erfahrung, dass er die richtigen Schlüsse zog. Besonders wichtig war die Erkenntnis, welche enormen Zeiträume dieser Aufschluss zeigt. Die aus der Bibel abgeleitete Erdgeschichte war nicht mehr haltbar. Sein Begleiter John Playfair schrieb später: „The mind seemed to grow giddy by looking so far into the abyss of time“.

James Hutton war neben dem zeitgleich in Freiberg tätigen Abraham Gottlob Werner einer der beiden „Gründerväter“ der Geologie als Wissenschaft (wobei Mineralogie und Bergbaulehre deutlich älter sind). Übrigens erkannte Hutton auch, dass Granit und Basalt magmatische Gesteine sind, während Werner diese für Ablagerungen aus einem Meer hielt — der Streit zwischen „Plutonisten“ und „Neptunisten“ begann.

Anfahrt

Von Edinburgh auf der A1 Richtung Osten. Kurz nach Cockburnspath nach links auf die A1107 Richtung Coldingham abbiegen. Nach einer schmalen Brücke links Richtung Pease Bay abbiegen. Kurz darauf biegt das „Hauptsträßchen“ nach Pease Bay links ab, wir fahren geradeaus (Schild zu einem Agrarindustriebetrieb). Wenig später ist links der Parkplatz für den Siccar Point mit Hinweisschildern.

Nun geht man auf einem Pfad die Küste entlang bis zur Kante der Steilküste oberhalb des Siccar Points. Auf einem sehr steilen Grashang führt ein unangenehm rutschiger Pfad abwärts, wobei man sich an einem Fixseil festhalten kann. Mit großer Wahrscheinlichkeit trifft man hier auf Geologen, die an diese Stelle pilgern. Andere Menschen verirren sich eher selten hier her, obwohl es sich um einen sehr hübschen Ort handelt.

Links

Wanderung in den Cairngorms

Cairngorms, Blick vom Cairn Lochan

Das schottische Bergmassiv der Cairngorms erinnerte einen Samen so sehr an seine Heimat, dass er in den 1940ern Rentiere aus Lappland hier auswilderte, denen wir tatsächlich begegneten. Hier befinden sich ein paar der höchsten Berge von Großbritannien, wobei es sich überwiegend um runde Kuppen und relativ flache Hochplateaus handelt, mit rauem Klima und kargem Bewuchs. An manchen Bergen gibt es auch kleine Kare mit entsprechenden Felsen.

Wir wandern von der Talstation der Bergbahn (der gesamte Hang von hier hinauf zum höchsten Gipfel ist ein sehr hässliches Skigebiet) hangparallel nach Südwesten zu einem  Plateau (hier treffen wir die Rentiere), das oberhalb von einem Kar mit Felswänden abgeschlossen wird. Unser Ziel ist Cairn Lochan, der südlichste Gipfel dieses Bergrückens (der nur auf dieser Seite steil ist). Wir steigen rechts davon auf einem schon von weitem sichtbaren Pfad über einen breiten Bergrücken auf. Auf einem höheren Plateau angekommen biegen wir links ab und nehmen einen steilen Pfad hinauf zum Gipfel. Der Blick auf die stark geklüfteten Granitwände, über das Kar und hinab zum See Loch Morlich und diverse kleinere Berge ist wunderschön, wobei ein eiskalter Wind weht. Nach weniger als 4 Stunden sind wir wieder am Parkplatz.

Cairn Lochan

Am nächsten Tag machen wir eine weitere ähnlich lange Wanderung, die direkt hinter dem Glenmore Visitor Center (auf der anderen Straßenseite der Campingplatz am Loch Morlich) beginnt. Wir steigen erst durch Wald und dann durch eine schöne rot blühende Heidelandschaft in einem Bogen hinauf zum Meall a‘ Bhuachaille (ein kleiner Berg, dessen Form und rote Farbe uns schon am Vortag aufgefallen ist), von dem man einen guten Blick auf die Cairngorms hat. Auf der anderen Seite steigen wir zur kleinen Hütte Ryvoan Bothy ab, die in einer flachen Moor- und Heidelandschaft liegt. Wir biegen rechts ab zum kleinen See An Lochan Uaine, der sich in einer sehr kleinen und kurzen Schlucht befindet. Über den Panoramaweg (mit kurzem Auf- und wieder Abstieg) erreichen wir wieder den Ausgangspunkt.

Heide am Meall a’ Bhuachaille

Glen Coe

Wanderung zum Hidden Valley in der ehemaligen Caldera (Schottland)

Auf den ersten Blick sieht Glen Coe nicht nach einem Vulkan aus. Das klassische U-Tal wurde eindeutig zu kälteren Zeiten von einem großen Gletscher geformt. Kleinere, ebenfalls U-förmige Seitentäler zweigen auf der Südseite ab und untergliedern die dortige Bergkette in einzelne schroffe Berge, die „Drei Schwestern“. Eines davon, das Hängetal namens „Hidden Valley“, ist das Ziel unserer Wanderung. Die Landschaft ist regelrecht alpin, wobei Glen Coe als eines der schönsten Täler Schottlands gilt. Wegen eines Massakers im 17. Jh., das die Briten an einem Clan verübten, ist es auch noch ein wichtiger Bezugspunkt des schottischen Nationalismus.

Aber auch Geologiegeschichte wurde hier geschrieben (s.a. mein Buch Bewegte Bergwelt). Es handelt sich nämlich um einen alten „Supervulkan“, bei dem die Gletscher Schnitte durch das Innere einer großen Caldera freigelegt haben. Und hier erkannte Sir Edward Bailey Anfang des 20. Jh. dank dieser leicht zugänglichen Profile erstmals, wie eine Caldera überhaupt entsteht. Eine Caldera ist ein großer Krater, der durch den Einsturz des „Dachs“ einer großen Magmakammer bei einer besonders großen Eruption entsteht. Schöne jüngere Exemplare sind beispielsweise die Tengger-Caldera auf Java, Laguna Quilotoa in Ecuador, Santorin in Griechenland, Ngorongoro in Tansania oder Crater Lake in Oregon (USA). Diesen „Caldera-Krater“ können wir uns bei Glen Coe vor ca. 400 Mio. Jahren sozusagen im Himmel über den Bergen vorstellen, mit einem Durchmesser von 8 km. Der tiefere Teil dieser Einsturzstrukturen ist jedoch immer mit den bei den Eruptionen geförderten Vulkaniten verfüllt, die bei Glen Coe etwa 1200 m mächtig aufgeschlossen sind (Andesite und Rhyolite) und von älteren metamorphen Gesteinen umgeben sind. Die Eruptionen finden bei diesen Vulkanen meist entlang von Brüchen statt, die oft konzentrisch ringförmig sind oder mit größeren linearen Störungen zusammenhängen. Die Ablagerungen regnen aus Aschewolken ab (Tuff) oder werden durch pyroklastische Ströme abgelagert (verschiedene Tuffe und Ignimbrite). Bei manchen Ignimbriten von Glen Coe ist eine faszinierende Fließstruktur (Bänder, Schlieren, Falten) zu erkennen.

Ignimbrit, Glen Coe
Ignimbrit, Glen Coe

Lavaströme sind untypisch für Calderavulkane, aber sie können bei kleineren Eruptionen während der langen Ruhephasen zwischen den großen Eruptionen gefördert werden. In tieferen Stockwerken kann Magma auch als waagrechter Sill in ältere Einheiten eindringen (insbes. die Andesite im unteren Teil von Glen Coe), was nur schwer von Lavaströmen zu unterscheiden ist. Fast rund herum sind die Vulkanite der Glen-Coe-Caldera von einem Ring aus Granit umgeben, der entlang der ringförmigen Verwerfung eindrang.

Übrigens handelt es sich bei Ben Nevis ebenfalls um eine (ähnlich alte) Caldera, wobei dort ein noch tieferes Niveau aufgeschlossen ist: Nämlich der Kontakt zwischen Magmakammer und ihrem „Dach“.

Bailey stellte sich die Entstehung der Glen-Coe-Caldera wie bei einem Kolben vor, demnach sank das „Dach“ der Magmakammer während der Eruption gleichmäßig und symmetrisch entlang einer ringförmigen Verwerfung ins Innere ab, das Magma stieg entlang der Verwerfung auf (und bildete den Granit). Inzwischen ist klar, dass die Geometrie bei Glen Coe nicht ganz so einfach ist. Die eigentliche ringförmige Verwerfung ist wohl erst in einem späten Stadium entstanden (und der Granit noch später), während bei früheren Ausbrüchen sich einzelne Blöcke unterschiedlich stark absenkten und dabei auch verkippten (Moore und Kokelaar 1997). Die Verwerfungen eines Grabenssystems (vermutlich an einer Transformstörung) spielten für den Aufstieg der Magmen vermutlich eine wichtige Rolle.


Literatur

Moore und Kokelaar (1997), Tectonic influences in piecemeal caldera collapse at Glencoe Volcano, Scotland. Journal of the Geological Society, London, Vol. 154, S. 765–768.

Fraser et al. (2004) Age of the Ballachulish and Glencoe Igneous Complexes (Scottish Highlands), and paragenesis of zircon, monazite and baddeleyite in the Ballachulish Aureole. Journal of the Geological Society, London, Vol. 161. S. 447–462.

Broschüre „Glen Coe – Gleann Comhann“ von Lochaber Geotrails.

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Bei Fingal’s Cave auf Staffa

Bootausflug zu faszinierenden Basaltsäulen, Seehunden und Papageitauchern (Schottland, Innere Hebriden)

Fingal’s Cave, Staffa
Fingal’s Cave, Staffa

Die kleine Insel Staffa ist ein schwarzer Felsklotz, dessen Wand in der unteren Hälfte aus großen perfekt geformten Basaltsäulen besteht, während die obere Hälfte ein Geflecht aus kleinen gebogenen Säulchen ist. In diese Felswand hat das Meer einige kleine und größere Höhlen gebrochen, wobei die größte unter dem Namen Fingal’s Cave bekannt ist. Die ca. 60 Mio. Jahre alten Laven gehören zu einem größeren, damals auf Land gelegenen Vulkankomplex, dessen Überreste weite Teile der heutigen Inseln Mull und Skye aufbauen. Dieser war wiederum Teil einer größeren Vulkanregion, die auch bis zum Giant’s Causeway in Nordirland reichte (s.a. Bewegte Bergwelt).

Entdeckt wurde die Insel schon wesentlich früher (die Wikinger gaben ihr ihren Namen), aber „auf die Karte“ und in die Bücher brachte sie der Botaniker und Forschungsreisende Joseph Banks, dessen Schiff 1772 bei einer Islandexpedition wegen eines Sturms bei der Nachbarinsel Mull Anker warf. Jemand erzählte Banks von den Felsformationen auf Staffa und als er sie am nächsten Tag besuchte war er von Fingal’s Cave so begeistert, dass er sie als „one of the greatest natural curiosities in the world“ bezeichnete.

Mehr und mehr Naturforscher, Künstler und Schriftsteller und der eine oder andere König kamen daraufhin vorbei. Felix Mendelssohn Bartholdy ließ sich zur Ouvertüre Die Hebriden inspirieren, romantische Maler malten die Höhle aus allen Perspektiven und schon in frühen 19. Jahrhundert gab es einen regelrechten Massentourismus.

Wie Basaltsäulen entstehen, habe ich vor einem Jahr am Beispiel Panská skála erklärt, ein anderes beeindruckendes Beispiel habe ich in Armenien fotografiert. Doch jedes Vorkommen hat seinen eigenen Formenschatz und seine eigene Stimmung, bei Staffa dank des rauen Atlantiks.

Zwischen Mai und Anfang August brühtet zudem auf der Insel eine Kolonie Papageitaucher (Puffins), die mich schon einmal in Island begeistert haben. Diese an Land etwas tollpatschigen Vögel sehen fast aus wie fliegende Pinguine mit buntem Schnabel.

Papageitaucher auf Staffa
Papageitaucher auf Staffa

Von Orban aus gibt es organisierte Tagesausflüge zu drei Inseln, wobei nicht nur für mich Staffa das Highlight ist. Es geht zunächst mit der Fähre hinüber nach Mull und dann mit Bussen auf einer einspurigen Straße nach Fionnphort zum am anderen Ende der Insel. Kleine Boote fahren von hier bei einer Seehundkolonie vorbei nach Staffa, wo man nahe der Höhle an Land geht und eine viel zu kurze Stunde auf der Insel verbringt. Anschließend setzt uns das Boot auf der Insel Iona ab, wo es noch ein altes Kloster zu besichtigen ist, von dem aus einst irische Mönche Schottland christianisiert hatten. Eine kurze Fährfahrt führt zurück nach Fionnphort, wo die Busse warten.


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